„Staubwolken wie in der Sahara“

Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast stellt den Erntebericht 2003 vor. Dieser verzeichnet in manchen Regionen „katastrophale“ Erträge. Im Norden Deutschlands können sich die meisten Bauern dagegen über eine gute Ernte freuen

aus Berlin NICK REIMER

„Nach dem Hochwasserjahr haben wir jetzt das andere Extrem.“ Mit diesen Worten begann Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) gestern die Vorstellung des Ernteberichtes 2003. Mit einem Minus von 13,1 Prozent gegenüber dem in der Landwirtschaft üblichen Sechsjahresmittel war die Getreideernte noch schlechter als 2002. Und: Dieses Sechsjahresmittel ist ohnehin durch das Dürrejahr 2000 und das Hochwasserjahr 1997 gedämpft.

„Nach den vorläufigen Ergebnissen liegt die Getreideernte mit 39,5 Millionen Tonnen knapp 9 Prozent unter dem Ergebnis des Vorjahres“, so Künast. Interessanterweise sind aber nicht alle Regionen gleich betroffen. „Der Norden hat nur wenig gelitten – Schleswig-Holstein ein knapp 8 Prozent besseres Ergebnis als letztes Jahr“, sagte die Ministerin. Auch Niedersachsen erntete 2,4 Prozent mehr. Gegenüber 2002 ist bundesweit die Anbaufläche nur leicht – reichlich 1 Prozent – zurückgegangen.

Von Dürre und Hitze besonders betroffen sind dagegen der Osten und Süden. In Sachsen, Sachsen-Anhalt, dem Saarland und Bayern liegen die Verluste bei über 15 Prozent – verglichen mit dem sechsjährigen Durchschnitt. Am stärksten betroffen ist Brandenburg – hier wurden 40 Prozent weniger geerntet. „Im Durchschnitt“, sagte die Ministerin. „In manchen Regionen ernteten die Betriebe weniger als die Hälfte. Wenn dort heute Traktoren übers Feld fahren, wirbeln die so viel Staub auf, dass man denkt, in der Sahara zu sein.“

Eine Milliarde Euro Ernteausfälle insgesamt – diese vom Deutschen Bauernverband genannte Zahl wollte Renate Künast gestern nicht kommentieren. „Fakt ist, in einigen Regionen ist das eine Katastrophe“, sagte die Ministerin. Bis Mitte nächster Woche hofft sie von den Landesministerien eine Aufstellung über jene Betriebe zu erhalten, die 20 bis 30 Prozent weniger Ertrag hatten. „Denen muss direkt geholfen werden“, so Künast. Allerdings erklärte die Ministerin auch, sie habe „nicht vor, Ertragseinbußen auszugleichen“. Das wäre nicht legitimierbar. „Es muss darum gehen, Bauern vor der Insolvenz zu bewahren.“

Ein spezielles Problem hat auch die Tierwirtschaft. „Schon heute müssen manche Betriebe das verfüttern, was eigentlich bis März reichen sollte“, sagte Künast. Zwar habe man bei der EU erwirken können, dass eigentlich stillgelegte Flächen vorübergehend zur Futtermittelproduktion genutzt werden dürfen. „Aber da wuchs ja auch nicht mehr.“ Viele Betriebe müssen jetzt Futtermittel zukaufen – nicht selten existenzgefährdend.

Kleiner Lichtblick: Die Qualität des Brotgetreides ist „superb“. Wegen der Dürre erübrigte sich die teure Nachtrocknung; auch der Pilzbefall war schwächer als im Regenjahr. „Wer eine gute Ernte hatte, verdient richtig“, sagte Künast. Für 100 Kilo Roggen werden derzeit 1,5 Cent mehr gezahlt als im Vorjahr. Angst, dass sich das auf die Preise niederschlägt, müsse der Verbraucher nicht haben. „In den Brötchenpreis geht der Rohstoff Getreide nur mit 1 Cent ein.“

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