Ein MdB kämpft mit dem Irak

Dr. Friedbert Pflüger lädt ein – zur Abrechnung mit den „gravierendsten Fehldeutungen deutscher Experten“ im Irakkrieg. Doch dann ergreift der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion plötzlich die Flucht. Die Geschichte einer Verirrung

von BETTINA GAUS

Friedbert Pflüger auf der Flucht. Eilig verließ der CDU-Politiker gestern ein Pressefrühstück der Konrad-Adenauer-Stiftung – noch bevor das Thema zur Sprache gekommen war, zu dem die Journalisten gebeten worden waren. „Dazu muss ich mich jetzt nicht auch noch äußern“, erklärte er seinen verdutzten Gästen. Und verschwand. Ob man ihm vorher gar nicht gesagt hatte, worum es ging?

Eigentlich hätte der Bundestagsabgeordnete eine Studie der CDU-nahen Stiftung vorstellen sollen. Statt dessen sprach er ausführlich über die Lage in Afghanistan und im Irak, ohne jedoch wesentliche Neuigkeiten mitzuteilen. Die Tatsache, dass bislang keine Massenvernichtungswaffen im Irak gefunden wurden, bedeute noch gar nichts: „Eventuell“ seien sie „nur gut versteckt worden.“ Ja, eventuell.

Der Inhalt der Studie dagegen klang in der Einladung durchaus viel versprechend: Unter dem Titel „Die Stunden der Phantasten“ will die Adenauer-Stiftung „die gravierendsten Fehldeutungen“ deutscher „Experten“ im Zusammenhang mit dem Irakkrieg aufgelistet haben. „Präsentiert wird diese Dokumentation durch den außenpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Dr. Friedbert Pflüger“, so die verheißungsvolle Ankündigung.

Große Erwartungen. Sie wurden enttäuscht. Pflüger zeigte sich ungewöhnlich bockig. „Ich bin weder der Initiator noch der Autor dieser Studie“, betonte er und fügte noch hinzu, „grundsätzlich“ halte er es für ein durchaus nützliches Unterfangen, die Berichterstattung über den Irakkrieg nachzuarbeiten.

Grundsätzlich. Das kann nur heißen: nicht in dieser Form. Was fürchtete der Abgeordnete? Allzu harsche Angriffe auf US-Präsident George Bush und den britischen Premier Tony Blair? Den Nachweis, dass manche Medien die Entwicklung im Irak allzu optimistisch beurteilt hatten? Die Sorge muss Pflüger nicht haben. In dem Arbeitspapier werden nur diejenigen kritisiert, die aus Sicht der Union als die üblichen Verdächtigen gelten können: Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) beispielsweise, Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung und der allgegenwärtige Peter Scholl-Latour.

Es gehe darum, „in künftigen außen- und sicherheitspolitischen Krisen nicht wieder den gleichen Zukunftsdeutern und Phantasten aufzusitzen“. Ein ehrenwertes Ziel. Was haben die Experten denn falsch gemacht? Nach Ansicht der Autoren haben sie beispielsweise die Opferzahlen viel zu hoch angesetzt. So habe Thierse von den „Millionen Menschen in Bagdad“ gesprochen, „die Opfer von Bomben und Raketen werden“.

Was denn die Autoren unter Opfern verstünden, wollte ein Journalist wissen: Nur Tote oder auch Verletzte, Ausgebombte und Traumatisierte? Na ja, eigentlich schon Todesopfer. Und es gebe „keinen Hinweis“ darauf, dass Thierse seinen Opferbegriff anders gemeint habe. Keinen Hinweis, ach so. Aber wäre es nicht vielleicht aus wissenschaftlicher Sicht nützlich gewesen, bestimmte Positionen von Heribert Prantl nicht einfach nur als „abwegig“ zu bezeichnen, sondern diese Einschätzung auch noch zu begründen? Überflüssig, weil selbstverständlich.

Und inwiefern der Bundeskanzler mit seiner Frage widerlegt worden sei, ob „das Ausmaß der Bedrohung“, die vom irakischen Diktator ausgehe, „den Einsatz des Krieges“ rechtfertige, konnten die Auoren nicht beantworten. Diese Äußerung sei eigentlich „nicht kritisch“ bewertet worden. Und überhaupt sei die politische Bewertung des Irakkrieges „nicht statisch.“ Vielleicht erklärt das, warum Friedbert Pflüger so dynamisch dem Ausgang entgegenstrebte.