Juristischer Mauerbau

Alteigentümer eines Grundstücks auf dem Mauerstreifen scheitert in einem Musterprozess mit seiner Klage gegen die Bundesrepublik: Frist verpasst

aus Berlin PHILIPP GESSLER

Vor dem Berliner Landgericht ist gestern der Alteigentümer eines Grundstücks auf dem früheren Todesstreifen an der Berliner Mauer mit seiner Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland gescheitert. Er wollte seinen ehemaligen Grund und Boden kostenlos zurückerhalten. Das Gericht wies die Klage jedoch aus formalrechtlichen Gründen ab.

Der Kläger, Wolfgang Pütz aus Schleswig-Holstein, wollte, unterstützt durch die Interessengemeinschaft der Grundstücksbesitzer auf den Mauerstreifen e. V., in einem Musterprozess die Unrechtmäßigkeit eines Kaufvertrags zwischen ihm und der Oberfinanzdirektion (OFD) feststellen lassen. Auf der Grundlage des Mauer-Verkaufsgesetzes aus dem Jahre 1996 hatte Pütz vor ein paar Jahren von dem Recht Gebrauch gemacht, seinen früheren Besitz zu 25 Prozent des heutigen Verkehrswertes zu kaufen – nach dem Mauerfall waren alle Grundstücke auf dem Mauerstreifen in den Besitz des Bundes übergegangen.

Obwohl also wieder Eigentümer seines früheren Besitzes, betrachtet der Kläger mit seinem Anwalt das ganze Rechtsgeschäft als unrechtmäßig: Die Bundesregierung habe einen Rechtsbruch begangen, als sie die früheren Mauergrundstücke übernahm und dann an die Alteigentümer zu verkaufen versuchte. Pütz wollte demnach die 25 Prozent des Verkaufswerts zurück – und trotzdem den Grund behalten.

Der Vorsitzende Richter folgte dieser Argumentation nicht – das wurde schon deutlich, als er gestern um 10.30 Uhr allein den Gerichtssaal 104 betrat. Wäre die Kammer nämlich durch drei Richter vertreten gewesen, hätte dies signalisiert, dass sich das Gericht mit der grundsätzlichen Frage der Rechtmäßigkeit des Mauer-Verkaufsgesetzes beschäftigen wird. Der Richter aber beurteilte das Rechtsgeschäft zwischen Pütz und der OFD rein formaljuristisch – und wies deshalb seine Klage ab: Der Kläger hätte das Grundstück nicht zu 25 Prozent des Verkaufswertes kaufen dürfen, sondern sofort Widerspruch gegen den Bescheid der OFD einlegen müssen. So aber habe er das Geschäft akzeptiert und den Rückkaufvertrag nicht fristgerecht angefochten.

Die Klägerseite hatte schon vor dem Prozess die eigenen Erfolgsaussichten vor Gericht als gering erachtet. Wie vorgesehen, will sie jetzt gegen das Urteil Berufung einlegen – und notfalls bis zum Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg klagen. Der nämlich habe in ähnlichen Fällen aus Rumänien und Tschechien zugunsten der früheren Grundbesitzer entschieden.

Der Anwalt von Pütz, Thorsten Purps, schätzt, dass sich der Wert der umstrittenen Grundstücke allein in Berlin in dreistelliger Millionenhöhe bewegt. Es geht um viel Geld.