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: Deutschland muss die Ansprüche der Vertriebenen gegenüber Polen zurückweisen

In einer bemerkenswerten Volte hat Vertriebenenchefin Erika Steinbach auf die Passagen in Schröders Warschauer Rede reagiert, die die Schadenersatzansprüche der Vertriebenen ablehnen. Im Kern sagt sie: Wenn Schröder den Polen zu Rechtssicherheit gegenüber Vertriebenenklagen verhelfen wolle, soll er ein Gesetz einbringen. Darin müsste sich die Bundesrepublik verpflichten, Ansprüche privater Deutscher gegenüber Polen nicht geltend zu machen und diese Ansprüche selbst zu befriedigen.

Steinbach trifft sich hier paradoxerweise mit Positionen, wie sie auch in Polen vertreten werden. Ihre Beweisführung dient allerdings nur dem taktischen Ziel, künftige Klagen der Vertriebenen zu stützen.

Bei diesem ganzen verwickelten Komplex muss man zwischen unterschiedlichen Schadenersatzansprüchen unterscheiden: denen von Spätaussiedlern, denen, die sich auf Vorkriegspolen beziehen, und jenen, die sich auf die ehemals deutschen Ostgebiete beziehen. Wenn wir uns auf das Gros möglicher Ansprüche konzentrieren, die die ehemals deutschen Ostgebiete betreffen, so haben hier Klagen nicht den Schatten einer Chance. Schon im Potsdamer Abkommen, das von substanziellen Gebietsabtretungen an Polen ausgeht, ist von Entschädigungen der polnischen Seite nicht die Rede. Kein Wunder angesichts der polnischen Verluste. Entsprechende polnische Gesetze waren hiermit im Einklang.

Einer Klage von Vertriebenen stünde auch das Prinzip der Staatenimmunität entgegen, das zwar nicht absolut gilt, wohl aber die hier in Frage stehenden Fälle umfasst. Bei künftigen Klagen würde die Bundesregierung darüber hinaus ihren abweisenden Rechtsstandpunkt vertreten. Angesichts dieser Rechtslage ist nicht einzusehen, warum den Vertriebenen, die bereits über den Lastenausgleich Geldzahlungen erhalten haben, ein zusätzlicher Anspruch eröffnet werden sollte.

Die ganze verquere Situation hat einen Grund: Die Deutschen klammerten in den Verträgen mit Polen Anfang der 90er Vermögensfragen ausdrücklich aus. Hier liegt die Ursache der berechtigten polnischen Befürchtungen. Es ist deshalb dringend notwendig, dass die deutsche Seite eine rechtsverbindliche Erklärung ausarbeitet, die die abweisende Haltung der deutschen Regierung gegenüber Ansprüchen der Vertriebenen klarstellt, ohne den klagenden Vertriebenen einen neuen Rechtstitel in die Hand zu geben. CHRISTIAN SEMLER

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