Saufen schafft Arbeit

Nach der Übernahme von Brau und Brunnen durch Dr. Oetker droht die Schließung von Standorten in Dortmund. Hunderte Arbeitsplätze in Gefahr

Schuld sind Trittin, das Wetter, die Demographie und die Konjunktur

AUS DORTMUNDULLA JASPER

Es steht nicht gut um die deutsche Braubranche und schon gar nicht um das Dortmunder Aushängeschild Brau und Brunnen (BuB). Schuld ist nach Ansicht von Ulrich Kallmeyer, neuer Aufsichtsratsvorsitzender der BuB, nicht nur der Umweltminister mit seinem „unsäglichen“ Dosenpfand, sondern auch das Wetter, die Demographie, die Konjunktur und irgendwie auch der Deutsche an sich.

Denn der konsumiert einfach nicht mehr genug Bier. Vor sieben Jahren trank man hierzulande noch zünftig, pro Kopf rund 132 Liter im Jahr. Doch schon im letzten Jahr waren es nur noch 117,5 Liter, trotz Bombensommer. Und in diesem Jahr sieht es noch schlimmer aus: Der Um- und Absatz von BuB ging in der ersten Jahreshälfte um acht Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurück. Jetzt müssten die „eklatanten Überkapazitäten“ abgebaut, die Verwaltung verschlankt, der Konzern entschuldet und das Geschäft wieder rentabel gemacht werden.“

Dem neuen Großaktionär Dr. Oetker, der mit seiner Bier-Sparte vor kurzem die BuB übernommen hat und nun mit 15 Prozent Anteilen Deutschlands Marktführer ist, bleibe gar nichts anderes übrig, so Kallmeyer. Bei der gestrigen Pressekonferenz in der Dortmunder BuB-Verwaltung ging er mit der alten Konzernleitung daher hart ins Gericht. Diese habe nicht nur mit „bilanztechnischen Verschiebebahnhöfen“ über die desolate wirtschaftliche Realität hinweggetäuscht, sondern auch „den sozialen Frieden zu Lasten der Aktionäre erkauft“, so der neue Chef. In den letzten Jahren habe sich ein Schuldenberg in Höhe von 82 Millionen Euro angehäuft. Außerdem seien an den BuB-Standorten in Dortmund und Berlin „dramatische“ Überkapazitäten aufgebaut worden, die die Nachfrage um bis zu 100 Prozent überstiegen. Hier kommt auch wieder UmweltministerJürgen Trittin ins Spiel: Wegen des Dosenpfands stünde einer Nachfrage von 200.000 Hektolitern Dosenbier eine Abfüllkapazität von 1,2 Millionen Hektolitern bei BuB gegenüber. „Die muss jetzt abgebaut werden“, sagt Kallmeyer.

Welche Auswirkungen die Übernahme und der Konzernumbau auf die Beschäftigten haben wird, wollte der Konzernchef nicht vorhersagen. Berichte der vergangenen Wochen, wonach sowohl in Berlin als auch in Dortmund Produktionsstätten geschlossen würden, bezeichnete er als „Spekulation, die mit den Ängsten der Betroffenen spielt“. Erst in den nächsten Monaten würden Standortkonzepte erarbeitet. Dass Personal abgebaut werden wird, scheint aber sicher. Strittig ist allein der Umfang. Kallmeyer rechnete vor, dass ein Rückgang des Pro-Kopf-Konsums zu einem direkten Abbau der Beschäftigungszahlen in der Braubranche führe: „Jeder Liter Verbrauchsrückgang steht für den Abbau von 750 Arbeitsplätzen“. „Rein statistisch“ betrachtet müsste die Radeberger Gruppe deshalb 450 Arbeitsplätze abbauen. Rein statistisch wie gesagt, festlegen wollte er sich darauf nicht. Bier-Marken will der Konzern, der nun unter anderem Brinkhoff‘s, Jever, Radeberger und Tucher produziert, nicht „eindampfen“. „Ich liebe sie doch alle. Das sind meine Kinder“, so Kallmeyer.

Aber auch die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) weiß, dass es die komischsten Eltern gibt und hat deshalb schon Auseinandersetzungen angekündigt, falls der Konzernumbau nicht behutsam erfolge.