Weiblich, ledig, jung – und arm

Gestern wurde die Statistik über SozialhilfeempfängerInnen veröffentlicht: Sie werden immer jünger und in den Revierstädten zahlreicher. Mal sind Firmenbankrotte, mal Scheidungsraten der Grund

VON ANNIKA JOERES

Arme Nordrhein-Westfalen leben im Ruhrgebiet und Mönchengladbach, und sie werden jünger: Das ist das wenig überraschende Ergebnis einer gestern vorgestellten Erhebung des Landesamtes für Statistik in Düsseldorf. Den traurigen Rekord hält Mönchengladbach: Nirgends gibt es so viele Sozialhilfebezieher wie in der niederrheinischen Stadt, 70 von tausend BürgerInnen beziehen hier die Stütze.

In der Tabelle der Kommunen mit den relativ meisten sozial Schwachen folgen nach Mönchengladbach fast ausschließlich Städte im Ruhrgebiet. Das ewige Schlusslicht unter den Revierkommunen bleibt auch in dieser Frage das schwarz regierte Gelsenkirchen. Die von Firmenwegzügen geplagte Stadt hat NRW-weit die höchste Arbeitslosenquote und muss 68 von 1.000 BürgerInnen versorgen. In Wuppertal sind es 64 von tausend, in Essen und Hagen je 62. Dann folgen Oberhausen und Bielefeld mit je 56 und Duisburg und Dortmund mit je 55 SozialhilfeempfängerInnen pro tausend EinwohnerInnen.

Die Spitzenreiter der Statistik sind über ihre Position nicht sonderlich beunruhigt: „Das ist keine große Überraschung“, sagt Mönchengladbachs Sprecherin Sabine Förster. Verantwortlich für die hohe Quote macht die Stadt die vielen Trennungen ihrer BürgerInnen: „Wir haben seit Jahren eine eklatant hohe Scheidungsrate“, sagt Förster. Deswegen gebe es auch überdurchschnittlich viele Alleinerziehende, die auf staatliche Hilfe angewiesen seien. Ein weiterer Grund seien auch die Spätfolgen der vor Jahrzehnten weggebrochenen Textilbranche. In dieser Industrie waren die Löhne gering. „Das macht sich heute noch in geringen Renten bemerkbar, die durch ergänzende Sozialhilfe aufgefangen werden.“

Hagen hat eine andere Erklärung für seine miesen Zahlen. Die Stadt am Rande des Sauerlandes hat in den vergangenen Jahren den höchsten Zuwachs an HilfebezieherInnen. Bekamen 1998 dort 43 von 1000 Bürgern Sozialhilfe waren es nun 62. „Die Arbeitslosigkeit reißt die Menschen in die Armut“, sagt Sozialamtsleiter Christian Schmidt. Der Weggang des Zwieback-Riesen Brandt habe insgesamt sechshundert Menschen auf die Straße gesetzt, neuerdings seien aber nur kleine Insolvenzen hinzugekommen. Auch in Hagen leben, wie in allen Revierstädten, viele Alleinerziehende. In manchen Stadtteilen erzieht jeder zweite Mensch sein Kind oder die Kinder alleine, entsprechend gering sind die Chancen und Möglichkeiten auf einen Job.

Nur Olpe kann sich rühmen. In der knapp 30.000 EinwohnerInnen-Stadt am Biggesee leben nur neun von 1.000 Menschen von der Sozialhilfe. „Da sieht man, wie schön es hier ist“, sagt Hans-Werner Voß , Sprecher des Kreises. Der Grund für die solventen BürgerInnen sei die florierende mittelständische Wirtschaft, die sehr bodenständig sei. „Sie kennt die Qualität unserer Arbeiter.“