Die pure (Spiel-)Freude

Rechtzeitig zum Saisonauftakt hat Michael Ballack ein Geschenk bekommen: einen Spielkameraden. Gemeinsam mit Sebastian Deisler will er nun die Liga aufmischen – und Bayern zum Meister machen

AUS MÜNCHEN THOMAS BECKER

Für Michael Ballack war Heiligabend diesmal direkt nach den Sommerferien. Die waren zwar recht kurz, aber die Freude über sein unerwartetes Weihnachtsgeschenk wog das locker auf. Sie war nicht verpackt, die gute Gabe, sondern naturbelassen, wie Gott, Felix Magath und vor allem Konditionstrainer Werner Leut–hard sie schufen. Sie war fast so groß wie Ballack selbst, hatte zwar viel weniger Haare auf dem Kopf, dafür aber zwei dermaßen geschickte, flinke Beine, wie sie der Michael nie zuvor neben sich erlebt hatte. Lachen konnte das Geschenk, dass es die pure, unverfälschte Freude war. Und dann dieser lustige Name: Wasti Fantasti. Wenn es nicht zu blöd aussähe, würde Ballack seinem Geschenk wohl am liebsten drei Mal täglich um den Hals fallen und ihn ordentlich abknutschen, seinen neuen Spielkameraden, den Sebastian Deisler. Macht er aber nicht. Spielt lieber mit ihm Ball und den Gegner schwindlig. Das kann ja noch was werden mit den beiden!

Okay, es ist Ligapokal, Vorbereitung, mehr nicht. Aber wahrscheinlich gab es in der achtjährigen Historie dieses Pseudo-Cups kurz vor Saisonbeginn keinen motivierteren Fußballer als Sebastian Deisler. Okay, für seinen Treffer zum 1:0 im Finale gegen Bremen konnte er ungefähr so viel wie vor ein paar Wochen Torsten Frings zu seinem EM-Flanken-Treffer gegen die Niederlande. Aber mit welcher Selbstverständlichkeit er das 2:0 in den Winkel zwirbelte, Ballack das 3:0 vor die Füße legte, die scheinbar verhexte Werder-Defensive ein ums andere Mal narrte, das alles war fast zu schön, um wahr zu sein.

Prompt folgte in Minute 70 die Ernüchterung: Deisler Wunderbar bleibt nach einem Zweikampf liegen, hält sich das Knie. Die Filme seiner gesammelten Verletzungen laufen vor dem inneren Auge ab, Hauptdarstellerin: die Trage. Doch diesmal geht es ohne, der Müller-Wohlfahrt-Kompagnon Dr. Peter holt ihn zu Fuß ab: Auswechslung, Applaus, er lacht schon wieder, Halleluja!

Ballack (27) und Deisler (24) – ein Gespann, das nicht nur die kommende Saison, sondern eine ganze deutsche Fußball-Ära prägen könnte. Mit dem viel zu lange an Leib und Seele erkrankten Deisler hat Ballack womöglich den idealen Spielkameraden gefunden, eine jüngere Turbo-Version seines Expartners Bernd „Schnix“ Schneider aus Leverkusener Tagen. Zu diesen beiden Kreativen gesellen sich im übervollen Bayern-Mittelfeld noch die Fummler Schweinsteiger, Ze Roberto und Scholl sowie die Abräumer Frings, Hargreaves, Jeremies und Demichelis, die Außenbahnen sind mit Sagnol, Salihamidzic, Görlitz und Rau vergleichsweise fast dünn besetzt.

Eine um so kniffligere Aufgabe für Felix Magath, da es hier nicht nur um das Mittelfeld des FC Bayern München geht, sondern auch um das der künftigen Nationalelf, die ja bei den Heimspielen 2006 nichts weniger als Weltmeister werden soll. Abgesehen von Hamann und Schneider hat Magath nahezu alle deutschen Mittelfeldkicker internationalen Formats im Team. Diese zu einer Reihe, Raute oder welcher Formation auch immer zu formen, wird seine vornehmste Aufgaben werden. Wer vorne neben Makaay und hinten neben Lucio spielt, gerät da fast zur Nebensache.

Unter zusätzlichen Druck setzt sich Magath nicht nur durch sein vorauseilendes Bekenntnis zur multiplen Titeljagd, sondern auch mit seinem klaren Plazet für die Nicht-Rotation. Vorgänger Ottmar Hitzfeld nutzte das Wechselspiel gerne, um den Stars eine dauerhaft schlechte Laune auf der Tribüne zu ersparen. Von den derzeit 26 Mann im Bayern-Kader sind 21 Nationalspieler, einzig der ewige Verletzte Zickler und Zugang José Paolo Gonzales Guerrero von den Bayern-Amateuren verwässern ein wenig das Bild vom All-Star-Team. Zwar wollen Hargreaves und Sagnol immer noch weg, zwar soll Kuffour verkauft werden, bevor sein Vertrag ausläuft, aber geschehen ist noch nichts.

Die Aufmerksamkeit in den ersten Bundesligaspielen wird sich sowieso auf den Goldjungen Deisler richten. Der stellte sich unlängst wie selbstverständlich vor die Reporter und sagte: „Die neuen Trikots gefallen mir nicht.“ Egal, dass man gerade ein Trainingslager am Sponsoren-Standort absolvierte. Selbstbewusst und ausgeglichen wirkt Deisler, als Lebensmotto hat er auf der FC-Bayern-Homepage „Gehe deinen eigenen Weg!“ angegeben. Mit Ausrufezeichen.

Bayern: Kahn – Görlitz, Demichelis, Linke, Salihamidzic – Frings – Deisler (71. Jeremies), Zé Roberto (46. Lucio), Ballack – Makaay (46. Hashemian), Santa CruzWerder: Reinke – Pasanen, Ismael, Fahrenhorst, Stalteri (46. Magnin) - Borowski, Baumann (46. Lagerblom), Ernst (82. Valdez) – Micoud – Klasnic, KloseTore: 1:0 Deisler (27.), 2:0 Deisler (44.), 3:0 Ballack (65.), 3:1 Klasnic (68.), 3:2 Ismael (74./Foulelfmeter)