Ein Paradies für die Bildung

Das „Zentrum für Schulbiologie und Umwelterziehung“ bietet jährlich weit über 20.000 Schülern Natur zum begreifen und anfassen. Leider ist es von Kürzungen betroffen und von Schließung bedroht

von KAIJA KUTTER

Die Weide mit den Schafen, Ziegen und Schweinen zeigt Ines-Mareike von Appen nicht. „Sonst wollen Sie da gar nicht wieder weg.“ Aber sonst ist alles zu sehen, bald schwirrt vor so viel guter Pädagogik der Kopf. Das Vogelnisthaus zum Beispiel. Der kleine runde Holzpavillon ist außen mit einem Dutzend Nistkästen bestückt. Drinnen ist es stockdunkel. Und wenn eine Schülergruppe im Frühling hineingeht, können sie die Klappen öffnen und – nur durchs Tageslicht im Flugloch beleuchtet – die Küken sehen.

Wenige Schritte weiter folgen abgetrennte Biogärten, in denen Schulklassen aus St. Pauli Zucchini und Kohlrabi anpflanzen. Gleich daneben der Teich, aus dem Froschlaich entnommen und an Klassen verliehen werden kann. Sind die Tiere ausgewachsen, setzen die Schüler sie in diesen Tümpel wieder ein.

Aber auch ganze Aquarien oder artgerechte Mini-Gehege mit Meerschweinchen, Mäusen, Kaninchen oder Grillen können im Flottbeker „Zentrum für Schulbiologie und Umwelterziehung“ (ZSU) entliehen werden. Voraussetzung ist die Einweisung der Lehrer und Schüler in die Pflege der Tiere. „Die Kinder lernen, Verantwortung zu übernehmen. Für Klassen ist das oft wahnsinnig wichtig“, erklärt ZSU-Koordinatorin von Appen. Die Tierpflege im Klassenraum habe oft einen „therapeutischen Effekt“ und verschiebe die Hierarchien: „Kinder, die sehr ruhig sind, bekommen plötzlich einen Zugang zu den Tieren. Während Tiere vor den Vorlauteren eher zurückweichen.“

Das ZSU ist ein „Lehr-Lernlabor“, wie Heike Elvers vom Referat Naturwissenschaften am „Landesinstitut für Lehrerbildungbildung“, zu dem das ZSU gehört, erklärt. Während die Klassen eine Führung bekommen, wird der Lehrer praktisch fortgebildet und meist anschließend mit einem Koffer voller Unterrichtsmaterial versorgt. Gerade angesichts der neuen Rahmenpläne, die 25 Prozent experimentellen Unterricht vorsehen, eine wichtige Sache.

Lehrer, die mit ihren Schülern Solaranlagen bauen oder die Wasserqualität von Flüssen prüfen wollen, können sich dank praktischer Anleitung und Materialkoffer daran wagen. Mittlerweile arbeiten sogar alle Schulen entlang der Elbe mit einheitlichen Methoden, berichtet Britta Köpke, die das ZSU-Wasserlabor leitet.

Hier sind die Becken oben offen, die Kinder sollen hineinfassen und Seesterne, Molche oder Krallenfrösche betasten. Attraktion im Wasserlabor ist Hummer Erwin. „Ich hätte nie gedacht, dass man einen Hummer dressieren kann“, berichtet Köpke. Doch immer wenn eine Klasse an sein Becken kommt, scheint er zu wissen, was zu tun ist. Die Biologin hält eine Stange ins Wasser, die er mit seiner Kneifzange hält, die dargebotene Muschel wird mit der Knackzange geöffnet. Faszinierend für die Kinder: das 14-jährige Tier häutet sich regelmäßig. Erwins Hülle, ein fast identisches Ebenbild, ist in der „Umweltschule“ zu bestaunen.

Dort leitet Pädagogin Regina Marek eine „Methodenwerkstatt“, deren Ergebnisse ebenfalls kofferweise mitzunehmen sind. Ihr jüngstes Projekt ist die vom Pisa-Test abgeleitete Frage an Schulklassen: „Kann man sich allein von Kartoffeln ernähren?“ Eine Frage, die auch die Journalisten ins Schwitzen bringt.

Richtig heiß ist es dann im Terrarium von Eckard Reinke-Nobbe, der Schülern gerade eine Boa constrictor zeigt. Anschließend dürfen die Schüler sie berühren. Aber nur mit der ganzen, flachen Hand, nicht bloß mit dem Finger pieksen. Fühlt sich kalt an. Schlangen sind Kaltblüter, die es warm brauchen, erklärt der Pädagoge. Haben sie gerade ein Tier verschluckt und erstarren, könnten sie daran sterben, weil die Beute verfault.

Neben der „Zooschule“ in Hagenbek und der „Grünen Schule“ im Botanischen Garten gehört noch die Umweltberatung von Charly Nobis zum ZSU. Er verleiht und erklärt mobile Solaranlagen und koordiniert das Schul-Energiesparprojekt „fifty-fifty“.

Die Wirkung des Zentrums, in dem bislang vier Pädagogen und vier technische Angestellte beschäftigt waren, ist beträchtlich. Im Jahr 2002 gab es rund 1500 Ausleihen und Besuche von weit über 20.000 Schülern. Doch nach Informationen der GAL ist die Zukunft bedroht. „Ein Viertel des Personals wurde gerade eingespart. Kommt es zu weiteren Kürzungen, kann das Zentrum dicht machen“, warnt die GAL-Politikerin Christa Goetsch. Das wäre nicht nur schlecht für die Kinder, sondern auch für Hummer Erwin und die anderen Tiere. Vorige Woche gab es im Wasserlabor einen Rohrbruch. Aber da war der Techniker, der sowas reparieren kann, noch da.

ZSU, Hemmingstedter Weg 142, ☎ 823 14 20