: Lächeln, Stunten, Akrobatik
Das Klischee vom Sexpüppchen hält sich hartnäckig. Doch Cheerleading ist Leistungssport
Beim American Football-Wettkampf spult das Cheerleaderteam pflichtgemäß ein laues Tänzchen ab. Einzig die blonde Angela bringt mit sexy Haltung und frivolem Blick etwas Leben in die Veranstaltung. Und prompt beginnt Zuschauer Lester Burnham, der Vater von Angelas Schulfreundin, zu halluzinieren: Vor seinem inneren Auge entblättert sich Cheerleaderin Angela in einem heißen Striptease.
So zeigt der Film „American Beauty“ den College-Sport Cheerleading: dekorative, brav grinsende Schülerinnen, eine Prise Tanz, kurze Röcke und viel Futter für Männerfantasien.
Wie sieht es in der Realität aus? Allein in Bremen gibt es etwa 200 Aktive in fünf Vereinen, darunter die rund 60 Mädchen und Frauen von den „Hearts“ des Sportvereins 1860, die seit 1993 Landesmeisterinnen sind. Wie die amerikanischen Vorbilder treten sie bei Sportwettkämpfen auf, um „ihre“ Mannschaft mit kurzen rhythmischen Gesängen – „chants“ – und Tänzen anzufeuern. Daher kommt auch der Name: „to cheer“ bedeutet anfeuern, „to lead“ heißt leiten. Die „Hearts“ hatten schon Auftritte bei Fußball-, Basketball- und sogar Judowettkämpfen. „Doch ursprünglich führte man es beim American Football ein, damit sich die Zuschauer zwischen den einzelnen Spielzügen nicht langweilen“, erzählt Trainerin Traute Lauterbach.
Das klingt nach Pausenfüller. Doch die Trainerin stellt sofort klar: „Cheerleading ist ein eigenständiger Leistungssport. Nach der Football-Saison haben wir unsere eigenen Meisterschaften auf nationaler und internationaler Ebene.“ Wenn das „Hearts“-Team nach ein paar Aufwärmübungen mit dem Tanzen beginnt, sieht man ihnen jahrelanges Training an. Geradezu unheimlich synchron gleiten die Mädchen und jungen Frauen mit viel Elan, kraftvollen Sprüngen und schwungvollem Powackeln durch die Halle. Aber beim Tanzen bleibt es nicht: „Wir stunten gleich auch noch“, erzählt Traute, „Cheerleading ist ein sehr vielseitiger Sport!“
Und so sieht ein Cheerleader-Stunt aus: Vier Mädchen packen ein fünftes an den Fußknöcheln und wuchten es hoch, bis es über ihren Köpfen aufragt wie ein Monument – und lächelt.
Andere Mädchen schwingen sich auf die Schultern der Teamkameradinnen und bauen so waghalsige, dreistöckige Menschen-Pyramiden. Die Obenstehenden strecken dabei gern beide Arme aus, stützen ein Bein auf die Schulter einer Kameradin. „Cheerleading ist ein gefährlicher Sport“, sagt Traute Lauterbach dazu. Doch in dreizehn Jahren sei bei „ihren Mädchen“ kaum etwas Ernsthaftes passiert.
In der amerikanischen Cheerleading-Komödie „Girls united“ gibt es öfter mal blutige Nasen und gebrochene Knochen. Übrigens zeigt das Kinospektakel auch männliche und schwarze Cheerleader. In Bremen ist das nicht so: „Mit Männern zusammen wäre das doch hier ein kichernder Hühnerhaufen“, lacht Traute Lauterbach.
Überhaupt scheinen sich die „Hearts“ miteinander wohl zu fühlen. Achtung und Respekt voreinander haben sie sich ins Programm und auf die Website geschrieben –statt Mädchenzank. Trainerin Lauterbach: „Ein paar Zicken hatten wir letztes Jahr zwar schon, aber die haben wir beurlaubt“.
Und wie ist es mit dem Sexpüppchen-Image? „Das ist bloß das Klischee“, findet Jasmin: Das käme von den Miniröckchen. „Aber alle, die ich bisher mit zum Training oder zum Wettkampf geschleppt habe, waren hinterher total beeindruckt von unseren sportlichen Leistungen.“ Auf Uneingeweihte könnten die kurzen Kleidchen und kreisenden Pos, auf die sich die Cheerleaderinnen bei manchen Tänzen selber klatschen, trotzdem ganz schön sexy wirken.
Katharina Müller
Weitere Infos: www.hearts-cheerleader.de oder: Sportverein Bremen 1860, Hannah Kröger, Tel. 21 18 60