„Betriebswirtschaftlicher Unsinn“

Die Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe wehrt sich im Interview gegen den Vorwurf, sie und ihre Kolleginnen würden dem Staat auf der Tasche liegen, ohne etwas zu bewirken. Ihr Argument: Die „Frauenfrauen“ erhalten den Lebenswert einer Stadt

Bremen taz ■ Unter dem Stichwort „Bürokratieabbau“ fordert die Industrie- und Handelskammer die Abschaffung der Frauenquote, weil diese zu einem „kuriosen Nachweisaufwand“ führen würde. In öffentlichen Einrichtungen wachen die Frauenbeauftragten über die vorgeschriebene Frauenförderung – und geraten zunehmend in die Kritik. Zu teuer und zu ineffektiv, urteilt etwa der niedersächsische Städte- und Gemeindebund und möchte die Kommunen von der Pflicht zur „Frauenfrau“ befreien (die taz berichtete). In Bremen hat sich die große Koalition noch einmal für die Gleichberechtigungs-Zentralstelle ausgesprochen. Die wird seit neun Jahren von Ulrike Hauffe geleitet.

taz: Wäre es nicht viel effektiver, wenn alle selbst entscheiden könnten, ob und was sie für Gleichberechtigung tun möchten – anstatt ihnen jemand von außen auf den Hals zu hetzen?

Ulrike Hauffe, Landesfrauenbeauftragte: Nein, denn die Frauenbeauftragte sitzt in der Regel nicht in ihrem Kämmerlein, sondern ist unterwegs in den Verwaltungen oder vor Ort, und weiß deshalb besser als viele andere, was los ist. Anders als eine Sachbearbeiterin kann sie sich Berichte geben lassen: Wieviel wurde zum Beispiel für wen im Sportbereich ausgegeben – und kann dann politisch einfordern, dass sich etwas ändert.

Aber als Senatorin hätten Sie doch ganz andere Möglichkeiten – vielleicht hätte das Frauengesundheitszentrum noch eine Chance bekommen?

Ich bin enttäuscht über das Ergebnis und glaube, dass es anders gelaufen wäre, wenn ich an den Koalitionsverhandlungen besser beteiligt gewesen wäre. Der Spielraum einer Senatorin ist sehr begrenzt, weil sie immer eingebunden ist in die Senats- und Parteiräson. Als Landesbeauftragte dagegen bin ich unabhängiger. Gerade hat mir jemand gesagt, „das, was Sie auszeichnet, ist, dass sie überall hinkommen, und dass jeder respektvoll von Ihnen redet, weil Sie sich parteipolitisch nicht haben einklüngeln lassen“.

Und wo sind die Schwächen?

Es gibt kaum Sanktionsmöglichkeiten, höchstens indirekt. In Bremen haben wir immerhin ein eigenes Öffentlichkeitsrecht. Das bedeutet, ich kann mit der Presse reden. Das ist eine Einflussmöglichkeit, die leider nicht alle kommunalen Frauenbeauftragten haben.

In erster Linie behindern Frauenbeauftragte doch Prozesse. An der Hochschule Bremen hat das dazu geführt, dass im Frauenstudiengang Informatik erst verspätet eine Professorin berufen wurde und die Studentinnen das Nachsehen hatten.

Und trotzdem hat es was bewegt: Derartiges wird dort so nicht wieder laufen. Um mal mit einem anderen Vorurteil aufzuräumen: Es gibt keine Frau, die irgendwo eingestellt wird, die nicht mindestens gleich qualifiziert ist wie ein Mann. Es geht darum, bei gleicher Eignung Frauen zu fördern in Bereichen, in denen sie unterrepräsentiert sind.

Was bewirken Sie noch?

Wir schieben Projekte an, wie zum Beispiel den Frauengewerbehof in Buxtehude – dafür hatte sich die örtliche Frauenbeauftragte stark gemacht. In Bremen tun wir viel für den weiblichen Nachwuchs in naturwissenschaftlichen und Ingenieurs-Berufen. Aber es ist ein zäher Prozess. Ich finde es gut, wenn junge Frauen ungeduldig werden und fragen, „wo sind denn da jetzt die großen Schritte?“ Aus der Distanz betrachtet, machen wir die, aber wir haben nicht mehr die revolutionären Themen der alten Zeit, wo man die dicken Knüppel geknackt hat.

Wenn aber die Geschlechterfrage gar nicht mehr so im Vordergrund steht, sondern die Kluft zwischen arm und reich – können wir uns die Frauenbeauftragten dann noch leisten?

Ja. Eine andere Antwort wäre betriebs- und volkswirtschaftlicher Unsinn. Soziale Misswirtschaft wirkt sich immer negativ aus. Die Frauenbeauftragten machen eine Tätigkeit, die sich letztendlich rechnet, auch in Bezug auf den Lebens- und Liebenswert einer Kommune. Indem sie solche Projekte unterstützen und anschieben, tragen sie dafür Sorge, dass es sich hier lohnt zu leben als Frau. Da ist die Investition in mich und meine Stelle mit Sicherheit zehnmal raus.

Interview: Eiken Bruhn