„Viele sind im Prinzip nicht ausbildungsreif“

Laut Dietmar Niedziella, Ausbildungsexperte beim Industrie- und Handelskammertag, hat sich das Niveau der Schulabgänger verschlechtert. Er fordert einfachere Ausbildungsberufe, das entspreche auch dem Bedarf der Betriebe

taz: Herr Niedziella, Unternehmen beklagen immer öfter das geringe Niveau von Bewerbern. Waren Schulabgänger früher schlauer?

Dietmar Niedziella: Pisa spricht ja eine eindeutige Sprache. Das Niveau hat sich ganz klar verschlechtert, man kann das im Vergleich zu anderen Ländern deutlich sehen. Da haben wir ein unrühmliches Ergebnis erreicht.

Lenkt das nicht ein wenig davon ab, dass die Wirtschaft schlicht zu wenig ausbildet?

Das hat damit nur insofern etwas zu tun, als dass viele Schulabgänger im Prinzip gar nicht ausbildungsreif sind. Da tut sich die Wirtschaft natürlich schwer, geeignete Jugendliche zu finden. Betriebe müssen jetzt teilweise korrigieren, was in der Schule fehlläuft. Das stellt viele Unternehmen vor erhebliche Schwierigkeiten – zumindest kleine und mittelständische.

Liegt das nicht auch daran, dass die Arbeitswelt komplizierter geworden ist?

Mit Sicherheit. Wie die ganze Lebenswelt wird natürlich auch die Arbeitswelt komplexer. Man muss immer mehr in Zusammenhängen denken können. Ein gutes Beispiel sind die neuen fahrzeugtechnischen Berufe. Sehen Sie sich heute mal ein Auto an, früher hatten sie einfache Schaltkreise, heute vernetzte Digitaltechnik. Deshalb ist auch bei KfZ-Mechatronikern vernetztes Denken gefordert.

Und daran hapert es bei den Abgängern?

Auch. Es geht aber zunächst um ganz profane Kenntnisse in Deutsch oder Mathematik. Viele Lehrstellenbewerber scheitern doch schon an einfachen Multiplikationsaufgaben im Kopf. Größere Unternehmen bieten deshalb betriebsinternen Zusatzunterricht an, um die Auszubildenden auf ein gewisses Niveau zu heben. Für kleinere Firmen ist das schwerer. Die müssen damit zurecht kommen, was der Markt zu bieten hat.

Wie reagiert denn die Wirtschaft darauf, dass viele Bewerber den Anforderungen nicht mehr gewachsen sind?

Der DIHK fordert, mehr praxisorientierte zweijährige Ausbildsungsberufe einzuführen. Für Servicefahrer, Maschinenführer oder Fahrradmonteur sind die Konzepte unterschriftsreif. Wir wollen das aus zwei Gründen. Erstens: Weil die bundesweit 90.000 Schulabgänger, die keinen Abschluss haben, so die Chance bekommen, überhaupt eine Ausbildung zu machen. Und zweitens: Weil die Betriebe auch weiterhin Bedarf an Fachkräften für „einfachere“ Tätigkeiten angemeldet haben. Im Grunde wollen wir nur den passenden Schlüssel zum Schloss bringen.

Und wenn der Schlüssel passt?

Könnte das nach unseren Schätzungen bundesweit rund 10.000 zusätzliche Ausbildungsplätze bringen. Es gibt einen vierstelligen Bedarf allein an Maschinenführern. Wir haben dazu eine Umfrage durchgeführt, und dabei haben erstaunlich viele Betriebe gesagt: Wenn der Beruf kommt, stellen wir sofort ein, zwei, drei Auszubildende ein.

INTERVIEW: JAN ROSENKRANZ