Wulffs harte Hand

Ministerpräsident zwingt Teilzeitlehrer zur Vollzeit

„Wo leben wir eigentlich?“, empört sich Christian Wulff. Die Antwort lautet: In Niedersachsen, wo im kommenden Jahr 1.500 Lehrer fehlen, aber viele Pädagogen trotzdem nur Teilzeit arbeiten wollen. Sie sollen jetzt härter angefasst werden, um die Unterrichtsversorgung vor allem an den Gymnasien zu retten. Anträge von Lehrern, die in den Mangelfächern Mathematik, Physik oder Latein unterrichten, werden künftig nur noch genehmigt, wenn dem „kein dienstliches Interesse“ entgegensteht. Anträge von Lehrern mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen sollen weiter durchgewunken werden. Das beschloss das Landeskabinett am Dienstag, um dem drohenden Lehrermangel bis zum Abschluss des doppelten Abiturjahrgangs im Jahr 2012 entgegenzuwirken. „Wir würden doch zum Teufel gejagt“, sagte Ministerpräsident Wulff (CDU), wenn das Land als Arbeitgeber nicht mehr Arbeit von seinen Bediensteten forderte, wenn diese ansteht. Vorher hatte der Koalitionspartner FDP noch betont, niemand dürfe zur Mehrarbeit gezwungen werden. Vorbei.

Etwa 10.000 der derzeit 84.000 Pädagogen im Land dürften von der härteren Gangart betroffen sein. Wulff schätzte, dass durch die „individuelle Prüfung“ der Teilzeitanträge 350 neue Vollzeitlehrerstellen entstehen. Das reicht aber bei weitem nicht. Deshalb sollen künftig Referendare schneller in den Lehrerdienst verfrachtet werden, Pensionäre länger arbeiten, die sogenannten Feuerwehrkräfte länger arbeiten, Grundschullehrer auch in der 5. und 6. Klasse des Gymnasiums unterrichten können, 250 Lehrer und 240 Referendare neu eingestellt werden.

Noch am Sonntag hatte Wulff Rücktrittsforderungen gegen seine Kultusministerin Elisabeth Heister-Neumann (CDU) abwehren müssen. In ihrer einjährigen Amtszeit hatte Heister-Neumann wenig Fortune. Im Mai hatten 11.000 Lehrer gegen ihren Plan demonstriert, seit 1998 angesammelte Überstunden vorerst nicht abbauen zu dürfen. Das war den Pädagogen jedoch einst versprochen worden. Der Protest hatte Erfolg: Nun können die Lehrer die Überstunden entweder abbummeln oder sich auszahlen lassen.

Diese Regelung führte zur derzeitigen Malaise, da viele Gymnasiallehrer für mehr Freizeit votierten. Zugleich wählten viele Grundschullehrer die Begleichung der Überstunden durch Geld. Die Schülerzahlen der Grundschule sinken allerdings.

Genau wie die der Hauptschulen. Im vergangenen Jahr waren es nur noch 14 Prozent, nach 18 im Jahr 2007. Künftig sollen sie deshalb stärker mit den Realschulen kooperieren – ohne allerdings das Label Hauptschule zu verlieren. Nur noch Deutsch, Mathe und Fremdsprachen sollen getrennt unterrichtet werden, öfter soll es nur noch eine Schulleitung geben.

KAI SCHÖNEBERG