Kleinaktionäre lustlos

Sinkende Kurse, maßlose Abfindungen und dominante Großaktionäre verderben Krethi und Plethi den Spaß

„Steigende Gehälter bei sinkenden Gewinnen darf es nicht geben“

FRANKFURT taz ■ Privatanleger und Kleinaktionäre sind es leid, sich den Jahreshauptversammlungen auszusetzen. Teils weil sie jünger sind als frühere Anteilseigner und berufstätig, also keine Zeit haben, teils weil die sinkenden Kurse der letzten Jahre eher zum Weg- als zum Hinsehen anregen. Außerdem haben die Sparkassen die kostenlose Vertretung ihrer Kunden eingestellt. Das konstatierte gestern Vormittag Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), in Frankfurt während einer Pressekonferenz in der Deutschen Börse. Vor der Tür des Saals rutschte währenddessen die DAX-Kurve auf der Anzeigetafel wieder einmal ins Minus.

Der Interessenverband hat zum Ende der Saison im Jahr 2003 insgesamt 150 Jahreshauptversammlungen von börsennotierten Unternehmen besucht. Das, so Hocker, waren 150 weniger als 2002. Das liege nicht nur an Insolvenzen und Konjunkturschwäche, sondern auch daran, dass das seit Januar 2002 mögliche Instrument des Squeeze Out greife, mit dem Großaktionäre den Rest der Anteilseigner aus den Unternehmen drängen können, wenn sie mehr als 95 Prozent der Aktien der jeweiligen Gesellschaft halten.

Außerdem seien etliche Unternehmen von US-amerikanischen Kapitalgesellschaften aufgekauft worden: „Über den großen Teich gelockt werden die Amerikaner durch die immer noch niedrigen Unternehmensbewertungen in Deutschland.“ Denn die Unternehmen des DAX sind vom Crash der New Economy ab dem Jahr 2000 viel stärker gebeutelt worden als die Firmen in den USA. Die Kurse hierzulande sind deshalb viel stärker gesunken als an anderen Weltbörsen.

Themen des Jahres 2003 waren allerdings nicht mehr die Kursverluste, sondern das Hickhack um Abfindungen und Salär von Vorständen und Aufsichtsräten sowie sonstige Personaldebatten. Hocker griff den Vorsitzenden der Dienstleistungsgewerkschat Ver.di, Frank Bsirske, persönlich an. Auf Antrag der DSW war ihm die Entlastung als Aufsichtsrat der Lufthansa AG verweigert worden, weil er der Lufthansa mit den Flughafenstreiks in Frankfurt und München Millionenverluste beschert habe. Dennoch blieb Bsirske mit den Stimmen der Arbeitnehmer als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des Unternehmens im Amt. Hocker forderte gesetzliche Regelungen, nach denen wenigstens „hervorgehobene Ämter“ bei Nichtentlastung ausgeschlossen sein müssten.

Außerdem müssten die Vorstandsetagen zu „mehr Transparenz“ bei Gehältern und Abfindungen verpflichtet werden. Die meisten Unternehmen hätten bei Erhöhungen „wenig Sensibilität bewiesen“: „Vor dem Hintergrund von Entlassungen und sinkenden oder gar ausfallenden Dividendenzahlungen konnte dieser Zeitpunkt kaum weniger geeignet sein.“ Die Vergütung sollte sich mit einem variablen Anteil mindestens 60 Prozent am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens orientieren. „Steigende Gehälter bei sinkenden Gewinnen darf es nicht geben“, erklärt Kleinaktionärsfunktionär Ulrich Hocker.

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