Wie Bürokratie sich selbst abbaut

„Bürokratie-Abbau“ ist populär. In der neuesten Kampagne der Bundesregierung geht es um den Abbau von Schutz-Vorschriften für sozial Schwache. Die Reform der Verwaltung wird derweil ohne Ziel als unendliche Geschichte inszeniert

„Wie viele unnötige Verordnungen sind seit 1999 außer Kraft gesetzt worden?“

aus BremenKlaus Wolschner

Wer ist schon gegen „Bürokratieabbau“? Als die Bundesregierung jetzt bekannt gab, in drei „Modellregionen“ West-Mecklenburg, Ostwestfalen-Lippe und Bremen solle dieser per „Masterplan“ vorangetrieben und ausprobiert werden, da hatte sie natürlich eine gute Presse. Nur: Die Arbeitsgruppe Bürokratieabbau gibt es schon seit 1999. „Wie viele nicht mehr erforderliche Bundesgesetze und Verordnungen sind seit 1999 außer Kraft gesetzt worden?“ wollte unlängst die in Berlin opponierende FDP von der Bundesregierung wissen. Eine eher rhetorische Frage wohl.

Der frühere niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel nannte den Bürokratie-Abbau als eines von drei Wahlkampf-Schwerpunkten – nachdem er mehrere Jahre lang als Regierungschef eben dieser Bürokratie vorgestanden hatte. Hamburg hat im Mai eine Initiative im Bundesrat gestartet, die Belastung der Unternehmen durch den Aufwand für amtliche Statistiken zu verringern. Der Bundestag muss noch zustimmen.

Jetzt sollen Modell-Regionen vorpreschen. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement verkauft die neue Initiative „Bürokratieabbau“ als Maßnahme der Wirtschaftsförderung. Dafür sollen auch Bundesgesetze versuchsweise außer Kraft gesetzt werden: zum Beispiel das Ladenschlussgesetz, die Freistellung für Bildungsurlaube, die Regelungen zur Sonn- und Feiertagsarbeit. Zumindest von Seiten der Industrie- und Handelskammern ist Beifall sicher. Die haben noch weitere „bürokratische“ Hindernisse identifiziert: den Kündigungsschutz und das Gesetz zur Scheinselbstständigkeit etwa. Die öffentlichen Auftraggeber sollen bei Auftragsvergaben nicht mehr bürokratisch nach „vergabefremden Kriterien“ wie „Tariftreue, Ausbildungsquote und Frauenquote“ fragen, konkretisiert die Bremer Handelskammer.

„Bürokratie abbauen“ will also jeder. Wirkliche Veränderungen kommen allerdings nur zäh voran. Beispiel Handelsregister: Wer in Bremen einen Auszug aus dieser Kartei haben will, konnte sich früher auf der Behörde eines Münzkopierers bedienen. Der wurde abgeschafft, stattdessen sind Antragszettel ausgelegt, die man ausfüllen muss. Die Kopie wird zugeschickt, Kosten pro Blatt: 10 Euro. Bürokratieabbau?

Ähnlich bei der Verwaltung der öffentlichen Immobilien. In Hannover wurde 1997 beschlossen, die gesamte Immobilien-Bewirtschaftung nach kaufmännischen Kriterien neu zu gestalten. Ämter und Behörden sollten eine kostendeckende Miete aus ihrem eigenen Haushalts-Topf zahlen, zu teure Immobilien verkauft werden. In Bremen waren in demselben Jahr die Unternehmensberater von McKinsey beauftragt, die Liegenschaftsverwaltung zu durchleuchten. Ihr Ergebnis: Die staatliche Bürokratie ist unökonomisch und führt dazu, dass am ehesten bei Erhaltungsinvestitionen gespart wird. Nach dem Motto: Turnhallendächer werden erst repariert, wenn es durchregnet und die Eltern auf den Barrikaden stehen.

Die Vorschläge der McKinsey-Berater waren praktisch identisch mit dem Hannoveraner Modell, das ohne Berater-Aufträge beschlossen wurde. Weil die Bremer Verwaltung sich die Umsetzung der Reform aber nicht zutraute, engagierte der Stadtstaat für mehrere Millionen Euro die Experten von Roland Berger als neue Berater. Und zum Chef der schließlich gegründeten neuen Immobilien-Verwaltungs-GmbH machte die Verwaltung – einen Behördenmitarbeiter.