Racheengel im Behördenapparat?

Wie die Sozialbehörde die Kindervereinigung Hamburg in den Ruin treibt. Verbrauchte Zuschüsse für bewilligte Kinderreisen aus den Jahren 2002 und 2003 werden mit absurden Begründungen zurückgefordert

Von Marco Carini

Für Hinrich Hintzsche ist es eine „billige und leicht durchschaubare Rache“ der Sozialbehörde – dafür, dass er den Mut hatte, sich mit dem Amt öffentlich anzulegen. Ende März hatte der Geschäftsführer der „Kindervereinigung Hamburg“, die seit zehn Jahren Ferienreisen für sozial benachteiligte Heranwachsende organisiert, einen Skandal öffentlich gemacht: Die Behörde hatte die Zuschüsse für eine Dänemark-Reise mit der zynischen Begründung verweigert, die Unterbringung in dänischen Standard-Blockhäusern sei zu komfortabel – die Kinder könnten durch diesen „überzogenen“ Luxus an Leib und Seele Schaden nehmen.

Die Folge: SPD und GAL trugen den perfiden Fall in die Bürgerschaft und das Altonaer Bezirksparlament, ein privater Sponsor sprang ein und sicherte den Skandinavien-Tripp. Doch wer vermutet hatte, die vorgeführte Behörde lasse es dabei bewenden, hat sich getäuscht. Vor wenigen Tagen flatterte Hintzsche ein Behördenpapier auf den Tisch, das den Dänemark-Ablehnungsbescheid weit in den Schatten stellt. Die Kindervereinigung soll nun bewilligte, ausgezahlte und bereits ausgegebene Zuschüsse für mehrere Kinderreisen nach Frankreich und Polen zurückzahlen. „Wenn die sich durchsetzen, können wir dichtmachen“, klagt Hintzsche.

Die mehrseitige Behörden-Prüfung der Reisekosten, die der taz vorliegt, könnte als skurrile, wenn auch leicht überzogene Satire durchgehen, wären ihre Konsequenzen nicht so bitter ernst. So errechnen die Fachleute vom Amt, dass sie von bewilligten Zuschüssen in Höhe von 12.000 Euro nicht weniger als 12.170 Euro und sieben Cent zurückfordern müssen. Anschließend fiel den Prüfern – das sei zu ihrer Ehrenrettung eingeräumt – immerhin noch auf, dass ihre Rückforderungsansprüche den ausgezahlten Betrag nicht übersteigen dürfen und man deshalb lieber auf die gut 170 Euro verzichte.

Die Nichtanerkennung der Kindervereinigungs-Abrechnung begründet das Amt mit Formfehlern des Vereins und seiner Partner. So wird etwa der real existierende Tostedter Reiseveranstalter „Power Tours“, der für die Kindervereinigung eine Frankreich-Reise kostengünstig organisierte, in dem genormten Rechnungsbeleg von seiner Muttergesellschaft als „Produkt“ derselben bezeichnet. Spitzfindig bezweifelt die Behörde nun, dass „die Rechnung eines Produkts überhaupt rechtlich wirksam ist“ und fordert deshalb den angefallenen Rechnungsbetrag von 6.910 Euro in Gänze zurück.

In einem anderen Fall schickte Hintzsche alle Originalbelege an die Behörde, die dort aber nie ankamen oder verschlampt wurden. Das Amt bat um die Rechnungs-Kopien, erhielt sie prompt und befand anschließend, dass solche Duplikate nicht anerkannt werden könnten, „da eine mögliche Doppelabrechnung nicht ausgeschlossen werden kann“. Dass die Sozialbehörde die einzige Bezuschusserin der Kinderreisen ist, irritierte den Sachbearbeiter bei seiner Argumentation nicht.

Bei weiteren strittigen Positionen räumt Hintzsche ein, Fehler gemacht zu haben, etwa als er in gutem Glauben auf die getrennte Ausweisung der Mehrwertsteuer verzichtete, weil der Verein nicht „vorsteuerabzugsfähig“ ist. Auch das monierte die Behörde. Hintzsche: „Obwohl wir die Behörde mehrfach aufgefordert haben uns bei der Aufstellung der Abrechnung zu beraten, hat nur ein einziges Gespräch stattgefunden, in dem wir auch noch falsch informiert wurden. Statt seiner Beratungspflicht nachzukommen hat uns das Amt falsche Abrechnungsformulare übersandt und uns Pauschalen in Aussicht gestellt, die es dann doch nicht gab.“

Doch am meisten ärgert den Kindervereinigungs-Vorstand, dass die Behörde solche Formfehler nutzte, um gleich die ganze Kohle zurückzufordern, die unstrittig für die als förderungswürdig anerkannten Reisen ausgegeben wurde. „Das ist wie wenn ich einen Kühlschrank für 700 Euro kaufe, ein Betrag von fünf Euro strittig ist und ich deshalb keinen einzigen Cent bezahle“, wagt Hintzsche einen Vergleich.

7.000 der insgesamt rund 19.000 zurückgeforderten Euro hat Hintzsche bereits „unter Vorbehalt“ zurücküberwiesen, weil die Behörde gleich mit Pfändung drohte. Den Rest müssen die Gerichte klären. Klar ist nur eins: Die Vereinigung wird nach dieser Erfahrung keine weiteren Zuschüsse für Reisen von Kindern aus sozial benachteiligten Familien beantragen, die die Behörde vermutlich sowieso kaum noch finanziert hätte. Statt dänischem Blockhaus-Komfort und französischem Zeltlager-Luxus dürfen die Heranwachsenden nun wieder auf Balkonien urlauben.