Hilfeantragsverfahrenserleichterung

Amt für Soziale Dienste fragt 20.500 „erwerbsfähige“ Sozialhilfeempfänger nach ihrem Vermögen und preist das abgespeckte Formular. 5.000 BremerInnen werden dank Hartz IV künftig überhaupt keine Leistungen mehr erhalten, sagt die CDU

Bremen taz ■ Ab Dienstag steckt er im Kasten. 20.500 mal. So viele Sozialhilfe-EmpfängerInnen in der Stadt Bremen gelten offiziell als „erwerbsfähig“. So viele Anträge für das so genannte Arbeitslosengeld (ALG) II verschickt das Amt für Soziale Dienste (AfSD). Denn wer – vorausgesetzt, es gäbe Arbeit – drei Stunden täglich arbeiten könnte, bekommt ab Januar keine Sozialhilfe mehr vom Sozialamt, sondern höchstens noch ALG II von der Bundesagentur für Arbeit (BA). Sofern er die Unterstützung rechtzeitig beantragt hat. Und sofern er nicht noch irgendwo anders über Vermögen verfügt.

Gleiches gilt für die rund 19.000 bisherigen EmpfängerInnen von Arbeitslosenhilfe in Bremen. Mit einem Unterschied: Das Sozialressort hat für seine Klientel nämlich eine „light“-Version des Antragsformulars erstellt. „Der eigentliche Antrag“, lobt Staatsrat Arnold Knigge die Bremer Innovation, „besteht nur aus…“ – er stockt, sein Daumen blättert die zusammengehefteten Seiten durch, „eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben“ zählt er, dann blickt er wieder hoch, setzt neu an: „Sieben Seiten“, sagt er mit fester Stimme. Merkblatt und Anschreiben hat er nicht mitgezählt.

Immerhin: Sieben Seiten sind neun weniger als der Standardfragebogen, den die BA entworfen hat und derzeit den EmpfängerInnen von Arbeitslosenhilfe zusendet. Die meisten Kommunen verschicken dieses Konvolut auch an Sozialhilfe-Empfänger.

Nicht so Bremen. Das Gros der für den Antrag nötigen Daten soll hier einfach aus den Akten des AfSD übernommen werden. Namen und Alter der Kinder, Höhe der Miet- und Heizkosten etwa – all das hat die Behörde sowieso schon gespeichert. Eine eigens entwickelte Software soll diese Informationen in die neue Datenbank der BA einspeisen. Lediglich die detaillierten Vermögensverhältnisse der Sozialhilfe-EmpfängerInnen müssen noch erhoben werden. Der Verwaltungsaufwand pro Antrag soll so von 130 auf 70 Minuten sinken, heißt es. Man sei gerne bereit, das Programm „gegen Entgelt“ anderen Städten zur Verfügung zu stellen.

„Es ist im Grunde genommen relativ einfach, diesen Antrag auszufüllen“, sagt Knigge: „Für alle, die kein Vermögen haben, genügt die Unterschrift unter Blatt 1.“ Bedarf an Ausfüllhilfe werde es trotzdem geben, schätzt die Behörde. Sie zählt dabei auch auf Unterstützung durch freie Beratungsstellen. Wer nicht alles verstehe, solle den Antrag so weit wie möglich ausfüllen. Ansonsten gilt: „Wer sich nicht in der Lage sieht, den Antrag überhaupt auszufüllen, kann ihn auch unterschrieben zurückschicken und um einen Termin bitten.“

Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe (Hartz IV) hat auch organisatorische Auswirkungen. 200 BehördenmitarbeiterInnen sollen in eine GmbH wechseln, die Bremen zusammen mit der BA gründen will. Deren personelles Engagement hänge von den Bundeszuschüssen ab, so Sprecher Jörg Nowag.

Langfristig will das Sozialressort Stellen einsparen, ein Teil der Aufgaben der neuen GmbH soll an Private vergeben werden. Kurzfristig bringt Hartz IV dagegen einen erhöhten Aufwand mit sich. Bis zu 70 Vollzeitstellen sollen befristet entstehen. Die GmbH soll an den vier Standorten des Arbeitsamtes ihre Dienste anbieten, im Bremer Osten und in Gröpelingen sollen weitere Dependancen entstehen. Ziel sei, dass zumindest eine der sechs zum 1. Januar arbeitsfähig sei, sagte Knigge. Die CDU kritisierte das gestern bereits als „nicht ausreichend“.

Weil das Arbeitslosengeld II vom Bund finanziert wird, fallen alle als „erwerbsfähig“ eingestuften Sozialhilfe-Empfänger nicht mehr dem Bremer Haushalt zur Last. Den geringeren Verwaltungsaufwand mit eingerechnet spare Bremen so jährlich 110 Millionen Euro, sagte Knigge. Wie viel Geld weniger unterm Strich an die künftigen Empfänger des ALG II ausgezahlt wird, kann indes niemand sagen. Zu unklar sei, wer künftig überhaupt noch Geld bekommt und wenn, wie viel. Armin Simon