Szenen aus dem Bildraum Afrikas

Der Journalist geht, der Fotokünstler kommt: Der südafrikanische Fotograf Guy Tillim ist aktueller Preisträger des DaimlerChrysler Award. Im Haus Huth am Potsdamer Platz sind seine eindrucksvollen Bilder nun zu sehen

Nein, DaimlerChrysler baut nicht nur Mist. Auch wenn der Name Matthias Kleinert, zuletzt bekannt geworden, weil er der Komischen Oper nach dem angeblichen Mozart-Skandal Sponsorenmittel streichen wollte, das Gegenteil befürchten lässt. Herrn Kleinert wurde jetzt von Jürgen E. Schrempp die Leitung des Büros der Südliches Afrika Initiative der Deutschen Wirtschaft (Safri) übertragen. Die Deutsche Wirtschaft und das Südliche Afrika hätten vielleicht Besseres verdient, aber sei’s drum.

Denn hier sind wir nun bei den guten Projekten, die DaimlerChrysler auch hinkriegt. In Südafrika hat das Unternehmen gemeinsam mit der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) im Jahr 2000 ein umfassendes Arbeitsplatzprogramm aufgebaut, das Aufklärung, Vorbeugung und medizinische Versorgung im Zusammenhang mit dem HI-Virus beinhaltet. Nach vier Jahren lässt sich feststellen, dass die Sterblichkeitsrate der betroffenen Mitarbeiter um 56 Prozent sank, dass kein Baby der betreuten positiven Mütter mit HIV infiziert wurde und dass es schließlich zu einem signifikanten Rückgang von Arbeitsunfähigkeit kam. Das Programm gilt also zu Recht als weltweit vorbildlich.

Darüber hinaus engagiert sich DaimlerChrysler in Südafrika auch auf kulturellem Gebiet und vergibt unter anderem seit 2000 den DaimlerChrysler Award. In diesem Jahr ging er als DaimlerChrysler Award for Creative Photography an den 41-jährigen südafrikanischen Fotografen Guy Tillim, dessen Werk Reportagefotografien aus den politischen Krisenherden Afrikas, aber auch Porträtstudien und fotografische Recherchen in den Metropolen des Kontinents umfasst. Offenkundig, so lässt es sich aus dem sorgfältig erstellten Katalog erschließen, war die Entscheidung in Südafrika nicht unumstritten, weil der Fotograf eben eher als Fotojournalist und Kriegsreporter betrachtet wird denn als Künstler, der mit Fotografie arbeitet. Schaut man sich allerdings die rund 50 Fotografien an, die nun bei DaimlerChrysler Contemporary im Haus Huth am Potsdamer Platz zu sehen sind, dann scheint dieser Streit so irrelevant wie die Juryentscheidung gerechtfertigt.

Tillims Fotografien ließen sich als Fotografien nach dem Journalismus bezeichnen. Dass die politische Fotoreportage angesichts der von ihr dokumentierten Gräuel die Welt unter Umständen aus ihrer Lethargie aufzurütteln vermag, ist eine Sache. Eine andere ist es, dass sie den komplizierten Gründen und Motiven, die die gewaltsamen Konflikte schüren, nicht Rechnung tragen kann. Vielleicht interessieren Tillim deswegen die Situationen nach dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen mehr als die Auseinandersetzungen selbst. Tillim kommt, nachdem der Journalist gegangen ist. Doch er dokumentiert wie jener. Daher braucht seine Fotografie eines zauberhaften Landschaftsstilllebens, das vier edle Weimaraner um Ufer des Atlantiks zeigt, wie sie im Abendlicht mit ihrem Futter beschäftigt sind, die Bildzeile: „Fütterung von Weimaranerwelpen, die für das Aufspüren von Minen trainiert werden, Ambriz, Angola, 2000“. Deshalb haben auch die Flüchtlinge aus Angola, die er in seiner farbigen Serie „Kunhingha Porträts“ (2002) festhielt, alle komplette Namen.

Obwohl aber seine Fotografie o.T., ohne Titel, nicht funktionierte, reicht sie über die Dokumentation hinaus. Der um den entscheidenden Moment etwas verrutschte Moment, den Tillim mit seiner Kamera sucht und findet, verbindet seine Bilder über unterschiedliche Aufnahmeorte und -zeiten hinweg zu einem Korpus, einem in sich kommunizierenden Werk. Der Fotograf betont diesen Aspekt, indem er seine Serien für jede Ausstellung neu zusammenstellt. Die Offenheit seiner Aufnahmen fügt sich in immer neuen Korrespondenzen am Ende doch zu einem konzeptuell geschlossenen Bildraum. Und in diesem Bildraum ist Afrika in der Tat auf eine beachtliche Weise neu zu betrachten. BRIGITTE WERNEBURG

Bis 22. August, DaimlerChrysler Contemporary, Haus Huth, Alte Potsdamer Straße 5, Katalog 12 €