Offensiv die Stellung halten

Handwerkskammer will per Ausbildungsoffensive 500 neue Lehrstellen schaffen. Doch neu ist nicht zusätzlich: Die Initiative gleicht zum Teil nur gestrichene Plätze aus

Es hörte sich gut an, was die Handwerkskammer gestern groß anpries: Eine Ausbildungsoffensive soll den Mangel an Lehrstellen bekämpfen. Beim genaueren Hinsehen aber wird aus der Offensive kaum mehr als der bloße Versuch, eine schon schlechte Stellung zu halten.

„Wir haben ein klares Ziel vor Augen: Wir wollen bis zum Jahresende 500 neue Ausbildungsplätze in Berliner Handwerksbetrieben zur Verfügung stellen“, sagte Stephan Schwarz, Präsident der Handwerkskammer Berlin. Hintergrund ist, dass wenige Wochen vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres noch fast 11.000 Jugendliche keine Lehrstelle gefunden haben.

Schwarz stellt sich für die Initiative „einen Mix aus altbewährten Maßnahmen und neuen Wegen“ vor: So will die Kammer Handwerksbetriebe durch Telefonaktionen und persönliche Besuche davon überzeugen, neue Lehrstellen einzurichten. Außerdem soll die Lehrstellenbörse im Internet ausgebaut werden. Auch die Innungen kündigten einen Beitrag an und erklärten sich bereit, bei der Auswahl geeigneter Bewerber behilflich zu sein: Man stehe „ohne Wenn und Aber“ hinter der Initiative der Handwerkskammer. Vermarktet wird das ganze Vorhaben als „Ausbildungsoffensive“. Das klingt nach engagiertem Vorstoß.

Doch was als Offensive daherkommt, ist nichts anderes als eine Maßnahme zur Schadensbegrenzung mit bislang ungewissem Erfolg. Denn zum einen ist in diesem Jahr die Nachfrage nach Lehrstellen größer als 2003. Zum anderen aber wurden laut einer jüngsten Statistik im ersten Halbjahr dieses Jahres 300 Ausbildungsverträge weniger unterschrieben als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Wirtschaftsexperten gehen aber davon, dass gegenüber 2003 rund 1.000 neue betriebliche Ausbildungsplätze notwendig wären.

Unterm Strich bleibt dabei absehbar auch bei erfolgreicher „Offensive“ des Handwerks und ähnlichen Anstrengungen bei Industrie und Handel bloß ein Nullsummenspiel auf Vorjahresniveau.

Nach Darstellung eines Innungssprechers erleben die Betriebe zudem derzeit „eine groteske Situation“. Sie würden trotz der großen Zahl unvermittelter Jugendlicher keine nach Zensuren und sozialem Verhalten geeigneten Bewerber finden.

MIRJAM DOLDERER