Spannendes Radio

In Nigeria heizt das örtliche Programm der Deutschen Welle angeblich religiöse Spannungen zwischen Muslimen und Christen an

VON HAKEEM JIMO

Das Radio ist noch immer erstes Informationsmedium in den meisten Gebieten Afrikas – auch in Nigeria. „Um 14 Uhr schalten wir BBC ein, um 14.45 Uhr die Deutsche Welle, so wie alle hier. Wenn da eine Meldung kommt, dann geht sie herum. Das bedeutet auch, dass Ärger und Rachegefühle deutlich angeheizt werden können“, sagt Marcus Danbinda von der Cathedral Church of Christ in der nordnigerianischen Stadt Gusau: „Das sind keine ausgewogenen Radiostücke. Regelmäßig wird mehr über Angriffe von Christen auf Muslime berichtet als umgekehrt, obwohl wir Christen im Norden weitaus mehr gefährdet sind. Auch erkennen wir eindeutig eine unkritische Haltung zur Scharia bei den Journalisten.“

Der Haussa-Dienst der Deutschen Welle sendet täglich in der Sprache der Haussa-Volksgruppe, die in Westafrikas Sahelregion einschließlich Nordnigeria lebt und mehrere Dutzend Millionen Menschen zählt – eine der größten Ethnien Afrikas. Die meisten Haussa sind Muslime, und der Norden Nigerias ist seit einigen Jahren bevorzugtes Aktionsgebiet von Islamisten, die dort eigenmächtig das islamische Scharia-Strafrecht eingeführt haben. Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen in verschiedenen Teilen Nord- und Zentralnigerias haben in den letzten Jahren mehrere tausend Tote gefordert.

Deutsche Welle verschärft Konflikte in Nigeria“, nannte der deutsche Bundestagsabgeordnete Peter Weiß (CDU) schon am 18. Mai seine Pressemitteilung zum Thema: „Nach übereinstimmenden Berichten von Kirchenvertretern und Nichtregierungsorganisationen führt das Haussa-sprachige Programm der Deutschen Welle in Nigeria eher zu einer Verschärfung der dort bestehenden religiösen Spannungen. Das Programm Radio Haussa Service transportiert diesen Berichten zufolge häufig einen einseitig proislamischen Standpunkt.“ Scharia? Warum nicht?

Scharia? Warum nicht?

Bereits vor einem Jahr hatte der Evangelische Entwicklungsdienst eine ähnliche Beschwerde an die Deutsche Welle herangetragen. Auch die taz ist schon von streng muslimischen Gesprächspartnern in Nordnigeria auf die für sie erfreuliche Berichterstattung der Deutschen Welle angesprochen worden. Dagegen zeigten sich Mitglieder aus verschiedenen christlichen Gemeinden über die Radiobeiträge besorgt, so zum Beispiel der Erzbischof von Kaduna, Peter Jatau.

Reinhold Meyer, Leiter des Afrika-Dienstes der Deutschen Welle, weist die Anschuldigungen entschieden zurück: „Da ist gar nichts dran!“, er habe die betreffenden Radiobeiträge von der Redaktion durchhören lassen und nichts finden können, das als parteiisch für die Scharia ausgelegt werden könnten.

Berlin wiegelt ab

Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Christina Weiss, ließ sich auf eine inhaltliche Diskussion erst gar nicht ein und berief sich auf die Rundfunkfreiheit, womit sie Verantwortlichkeit ablehnte. Aber bei 10.000 Toten in den vergangenen Jahren aufgrund religiös-ethnischer Gewalt in Nigeria wirkt dieses Argument unangebracht – zumal gerade in Afrika die ethnischen Massaker in Ruanda unvergessen sind, an denen der Rundfunk einen erheblichen Anteil hatten.

„Das Problem hat nicht etwa ein bestimmter Journalist bei der Deutschen Welle“, sagt Marcus Danbinda in Gusau. „Dasselbe gilt für Voice of America und BBC. Und wir leben mit dieser Berichterstattung seit Jahren, vor allem seit der Einführung der Scharia vor vier Jahren.“

Dabei sind die lokalen Journalisten bei ausländischen Radiostationen auch nicht unabhängig von lokalen Machteinflüssen, zudem sind sie meist selbst muslimische Haussa.

Oft muss es auch gar nicht böse Absicht sein, wenn ein Radiostück einen unausgewogenen Eindruck gibt. Wenn der örtliche Funktionär mit lokalem Akzent über die angeblichen Gefahren einer Polioimpfung spricht, macht das mehr Eindruck, als wenn der aus Europa entsandte Gesundheitsexperte die Unbedenklichkeit der Impfung beteuert. Monatelang blockierten dieses Jahr islamische Provinzregierungen in Nordnigeria eine Kampagne der Weltgesundheitsorganisation WHO gegen Kinderlähmung, weil sie den westlichen Impfstoffen nicht trauen.