„Studiengebühren verschärfen die Auslese“, sagt Klemens Himpele

Das Bezahlstudium schreckt Arbeiterkinder ab. Die Universitäten sehen von den Einnahmen keinen Cent

taz: Na, ist es sehr gemütlich in Ihrem Ohrensessel?

Klemens Himpele: Was meinen Sie? Wenn Sie denken, wir Studierenden lehnen uns zurück, irren Sie. Wir machen weiter Politik im Interesse der Studis – also gegen Studiengebühren.

Die Debatte um’s Bezahlstudium tobt – und die Studivertreter sagen cool: Abwarten und Tee trinken.

Wer das letzte Urteil des Verfassungsgerichts zum Hochschulgesetz genau liest, der wird feststellen: Das war keine Vorentscheidung darüber, ob Karlsruhe das Gebührenverbot des Bundes kippen wird.

Warum nicht?

Die Richter haben gesagt, der Bund dürfe nur in das Hochschulrecht der Länder eingreifen, wenn die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse gefährdet ist. Bei Studiengebühren geschieht das. Wenn die Dortmunder Zentralstelle zur Studienplatzvergabe jemanden nach Flensburg ins Gratisstudium oder nach Freiburg zum Bezahlstudium schickt, dann macht das den Unterschied.

Die Akzeptanz für Unigebühren steigt im Minutentakt. Was ist Ihre politische Strategie dagegen?

Die Föderalismuskommission muss darauf achten, dass die Bundeskompetenz in Hochschulfragen gestärkt wird, damit die universitäre Landschaft nicht zersplittert wird.

Die Föderalismuskommission wird dem Bund doch eher weniger Hochschulzuständigkeiten zusprechen.

Dann ist das leider so. Aber selbst wenn Karlsruhe das Gebührenverbot kippt, werden wir weiter gegen das bezahlte Studium ankämpfen – dann halt in den Ländern. Die Planungen für Proteste im Wintersemester laufen schon.

Wird das der berühmte heiße Herbst“ der Studis – der bisher immer ausgefallen ist?

Keine Sorge, die Studierenden werden es sich nicht gefallen lassen, dass ihr Studium künftig 1.000 Euro im Jahr kosten wird.

Sind Sie sicher? Das differenzierte Ja zu verschiedenen Formen von Studiengebühren reicht weit in die Studierendenschaften hinein.

Natürlich gibt es auch Studierende, die nichts gegen Studiengebühren haben. Die Universität ist eben ein Abbild eines bestimmten Teils der Gesellschaft, und gerade die Studis aus reichen Elternhäusern sagen, was juckt’s mich denn?

Die Kontra-Gebühren-Aktivisten scheinen politisch isoliert. War es klug, die Studienkonten generell als Abzocke abzulehnen?

Das war richtig. Erstens sind diese Konten nur getarnte Gebühren. Zweitens enthalten sie auch noch Steuermechanismen, die zu einer Vermarktlichung der Unis führen. Das lehnen wir ab.

Studienkonten halten dazu an, das Studium ohne Hektik, aber in überschaubarer Zeit abzuschließen. Ist das vollkommen unsinnig?

Die meisten Studis, die ich kenne, wollen schnell studieren – und merken: Das geht an diesen Unis gar nicht, weil die Seminare zu eng und die Zahl der Dozenten zu knapp ist.

Was ist Ihr wichtigstes Argument gegen Gebühren?

Sie schrecken Studierende aus bildungsfernen Schichten vom Studium ab. Dieser Effekt tritt auch dann ein, wenn die Gebühren erst nach dem Studium fällig werden.

Das ist eine Schwarz-Weiß-Malerei, die nichts mit der sozialen Realität den Hochschulen zu tun hat. Aussortiert werden die bildungsfernen Schichten nicht in der Uni, sondern in der Schule. Wer oben ankommt, gehört in der Regel der Schicht der Klugen und Reichen an …

… ob diejenigen, die in den Universitäten ankommen, die Klugen sind, sei dahingestellt. Aber es sind mit Sicherheit viele Kinder der Reichen.

Und deren Privilegien wollen Sie schützen?

Nein, wir wollen die Tore der Unis unbedingt für Arbeiterkinder offen halten. Die Selektion findet nämlich an zwei Stellen statt: In der Schule – und an der Schwelle zur Hochschule. Es schaffen doch deutlich mehr Kinder bildungsferner Schichten das Abitur, als nachher wirklich ein Studium aufnehmen. Aber es stimmt: Wir müssen die soziale Auslese im gesamten System diskutieren und nicht die, die oben in den Hochschulen stattfindet.

In Kindergarten und Schule wird kassiert und selektiert – nur die Studenten sollen verschont werden?

Das ist doch Käse. Es entstehen jetzt schon massive Kosten fürs Studium. Und man kann auch nicht ewig studieren. Unser Argument ist: Selbstverständlich gibt es bereits eine soziale Auslese im Bildungssystem – aber die dürfen wir nicht noch verschärfen. Studiengebühren treffen eben nicht den Zahnarztsohn an der Universität, sondern das Arbeiterkind.

Ja klar. Aber ihr, die ihr die zwei verbliebenen Arbeiterkinder an der Universität zu schützen vorgebt, bewahrt zugleich acht Zahnarztkinder vor jeglicher Unbill. Schützt ihr nicht deren soziale Privilegien?

Nein, tun wir nicht. Wir wollen die harte soziale Auslese im Bildungssystem durchbrechen. Und das schafft man garantiert nicht, indem man Studiengebühren einführt. Und man nutzt den Unis noch nicht mal. Denn eins ist doch klar: Kein Cent, der über Gebühren hereinkommt, wird bei den Unis bleiben.

INTERVIEW: CHRISTIAN FÜLLER