Die Basis murrt, aber knurrt nicht

Die IG Metall hat nun gleich zwei neue Vorsitzende. Jürgen Peters und Berthold Huber werden mit sagenhaft schlechten Ergebnissen gewählt

aus Frankfurt am Main THILO KNOTT

Kaffeepause bei der IG Metall. Nötig, denn immerhin warten noch 104 Wortmeldungen, wie Anny Heike verkündet. Also Kaffeepause. Diesmal in anderen Räumen. „Da zeigen wir Flexibilität“, scherzt Heike, die den Gewerkschaftstag moderiert: „Kaffee gibt’s in den Räumen Fantasie 1 und 2 sowie in den Räumen Illusion 1, 2 und 3.“ Gelächter. Ein Delegierter witzelt: „Fehlt nur noch Raum Harmonie.“ Aber den hatte das Congress Center der Messe Frankfurt nicht zu bieten.

Obwohl: Eigentlich gab’s den ja. Zwar ohne Kaffee, aber gefüllt mit dem Gesamtvorstand und 593 Delegierten der IG Metall. Hatte Jürgen Peters, der neue Chef der Gewerkschaft, ja schon zu Beginn angeregt: Harmonie, Einigkeit, Geschlossenheit. Und als müsste man auch bei der Aussprache der Delegierten noch einmal darauf hinweisen, schob Präsidiumssprecher Bernd Osterloh nach: „Ich habe am Anfang vergessen, darum zu bitten, dass diese Aussprache fair verläuft. Wir haben ja Presse hier.“

Das rote Metall-Band der Sympathie? Nicht ganz. Natürlich murrt die Basis, aber sie knurrt nicht. Natürlich gibt es eine Auseinandersetzung um das Streikdebakel. Und natürlich kritisieren die Delegierten den zentralistischen Führungsstil, sind aber zugleich froh, dass sich Jürgen Peters und Berthold Huber zusammengerauft haben und der Führungsstreit endlich beendet ist. „Wir wollen keine Schlammschlacht mehr“, sagt die Delegierte Birgit Schwickerath-Adam aus Tauberbischofsheim, „aber den Dampf muss man schon mal ablassen – dann ist man auch gestärkt zur Wahl gegangen.“ Entsprach denn auch der Regie des Gewerkschaftstags: Am Samstag der Dampf, der dann am Sonntag, bei der Wahl der Führung, wieder abgelassen war.

Also: Streikdebakel im Osten, der Grund, warum sich die Delegierten am Wochenende überhaupt treffen mussten. Ein paar Fehler, die räumten Jürgen Peters als Verantwortlicher für die Tarifpolitik und Streikleiter Hasso Düvel ein. „Wir haben manches nicht vorhergesehen“, sagte der Berliner Bezirksleiter Düvel. Um gleich noch dem zurückgetretenen Vorsitzenden Klaus Zwickel hinterherzuwerfen, dieser habe das Scheitern des Streiks vorschnell erklärt – und dies auch noch als „historische Niederlage“ bezeichnet. Die IG Metall habe die Zahl der streikfähigen Betriebe unterschätzt, erklärte derweil Peters, das Vorgehen nicht optimal vermittelt und sei nicht geschlossen genug aufgetreten.

Nicht geschlossen genug aufgetreten? Es sei „eine Dolchstoßlegende“, widersprach Erich Klemm, mächtiger Betriebsratschef von DaimlerChrysler, die Automobil-Betriebsräte hätten „dem Tarifkampf im Osten den Todesstoß versetzt“. Nur eine fordert Peters Kopf: die Siemens-Betriebsrätin Birgit Steinborn. Ein Mensch, in dessen Verantwortung eine solche Niederlage fällt, dürfe keine Karriere machen. Sie sagt: „Ob ihn persönliche Schuld trifft oder nicht: Das lehne ich im Unternehmen ab, in der Politik und in der Gewerkschaft.“

Natürlich hat ihr Peters den Gefallen nicht getan, auf den letzten Schritt in seiner Gewerkschaftskarriere zu verzichten. Hätte auch nicht gepasst in die allgemeine Beschwörungsstimmung. Und die hat Peters auch bedient, dieses Gefühl von „ ‚Wir‘ gegen die Regierung und deren ‚Freigabe des Sozialstaats zum Abbruch‘ “, gegen CDU und FDP sowieso, gegen „die Feinde“ also.

Peters erhielt lediglich 66,1 Prozent der Stimmen. Er wird die Gewerkschaft vier Jahre lang führen. Huber bekam ein bisschen mehr, 67,1 Prozent. Er soll 2007 dann Peters beerben. Das hatten die beiden im Vorfeld abgesprochen. Genauso wie das Personaltableau des kompletten Vorstands, dem die Delegierten dann einträchtig folgten.

Jetzt also die Zwangsehe Peters/Huber. Doch wer setzt sich durch? Wer gibt im neuen Führungstandem die Linie vor und den Mitgliedern Orientierung? Werner Neugebauer, Bezirksleiter aus Bayern, sagt am Rande des Gewerkschaftstags: „Franz Steinkühler und Klaus Zwickel waren Vorsitzende, die sowohl mit dem Holzhammer als auch programmatisch arbeiten konnten – jetzt brauchen wir dafür zwei. Das ist das Dilemma.“