Maniküre statt Radikalkur

Der Weltbank-Verwaltungsrat streitet, lässt sich aber nur minimale Zugeständnisse bei Energiepolitik abringen. Zustimmung der Betroffenen weiterhin nicht vorgesehen. Erneuerbare Energien mehr gefördert. Endgültiger Beschluss im September

VON NICOLA LIEBERT

Selten hat ein Thema für so viel Wirbel in der Weltbank gesorgt wie der von ihr selbst veranlasste Bericht über die Finanzierung von Rohstoffprojekten, der so genannte Extractive Industries Review (EIR). Am Dienstag traf sich in Washington der Verwaltungsrat der Weltbank, um die künftige Rohstoffpolitik festzuzurren. Ungewöhnlich lang und hitzig wurde diskutiert. Am Ende erklärte sich das Bankmanagement bereit, seine Position zu überarbeiten. Im September soll ein entsprechendes Papier dem Verwaltungsrat ohne weitere Debatte zur endgültigen Beschlussfassung vorgelegt werden.

Das Ergebnis der aktuellen Tagung lässt jedoch nicht hoffen, dass dabei übermäßig viel herauskommen wird. „Es gibt lediglich kosmetische Korrekturen statt der notwendigen großen Reform“, fasste Knud Vöcking von der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald zusammen.

Weltbankpräsident James Wolfensohn versprach gestern vollmundig, „dass unsere Investitionen und unsere politischen Ratschläge im Bereich der Rohstoffgewinnung in erster Linie den Armen nutzen sollten“ – um sogleich einer der zentralen Forderungen des EIR zu widersprechen, dem Ausstieg aus Erdöl- und Kohleprojekten. Gerade weil die Öl- und Gasförderung „entscheidenden Anteil an der Entwicklung viele armer Länder“ habe, dürfe die Bank keinesfalls auf deren Unterstützung verzichten.

„Die Antwort der Weltbank ist eine Beleidigung für all diejenigen, die von ihren Projekten betroffen sind“, schimpft Samuel Nguiffo von Friends of the Earth Kamerun. „Ölprojekte wie die Tschad-Kamerun-Pipeline rufen mehr Tränen als Freude hervor.“ Die Rechte der Arbeiter seien verletzt worden, Menschen hätten ihre Lebensgrundlage aufgrund von Umweltverschmutzung verloren, und Pläne zur Linderung der negativen Auswirkungen seien kaum umgesetzt worden.

Doch auch weiterhin soll den Vorstellungen des Weltbankmanagements zufolge die Einhaltung konkreter Vorbedingungen nicht zwingend sein. Einige große Industrieländer fordern allerdings – gegen den Widerstand von Vertretern der Entwicklungsländer – strengere Auflagen und Überprüfungen bei Rohstoffprojekten. Im Bundesentwicklungsministerium wünscht man sich, die Weltbank solle bei Ölprojekten „zurückhaltend“ sein, und „wenn sie sich engagiert, dann müssen die hohen Umwelt- und Sozialstandards verbindlich eingehalten und die Bevölkerung beteiligt werden“.

Gerade um die Beteiligung wurde heftig gestritten. Der EIR forderte klipp und klar, eine „vorherige Zustimmung“ der Menschen vor Ort zur Voraussetzung für jegliche Förderung zu machen. Die Weltbank, die allenfalls „vorherige Konsultation“ zulassen wollte, spricht nun von „breiterer Einbeziehung der ortsansässigen Betroffenen“, lässt aber bislang jedenfalls noch offen, wie weit diese geht.

Streitpunkt Nummer zwei: die Förderung erneuerbarer Energien. Die Weltbank verspricht, künftig eine „Führungsrolle“ in diesem Bereich zu übernehmen. Für die Bundesregierung eine „erfreuliche Entwicklung“. Während jedoch der EIR 20 Prozent der Energieprojektmittel für die Erneuerbaren forderte und dann eine weitere Steigerung um 20 Prozent jedes Jahr, will sich die Weltbank nur auf einen 20-prozentigen Zuwachs vom jetzigen Niveau ausgehend einlassen. Janneke Bruil von Friends of the Earth International: „Bei diesem Tempo wird die Weltbank fast 20 Jahre brauchen, bis der Anteil an erneuerbaren Energien in ihrem Programm das gegenwärtig für fossile Brennstoffe verfügbare Niveau erreicht.“

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