Regen fällt auf die Welt

In der Kulturbrauerei lieferten beim Summerize Festival um die fünfzehn Berliner Bands und DJs den Soundtrack für den Sommerabschied und die Winterangst. Nur schade, dass dabei manche Bands zu leise waren und andere zu laut

Es ist wieder so weit. Der Sommer war sehr groß, der liebe Gott lässt die Winde los, und allerorten geht es ans Tschüsssagen. Überall gibt es Gelegenheit zum letzten Grillfest, zum letzten Picknick, zum allerletzten gemeinsamen Eis zum Beispiel, und so konnte man auch am Wochenende in der Kulturbrauerei schön kuschlig in den allgemein ventilierten Abschiedsschmerz aus Herbstmelancholie und Winterangst einstimmen. Hier fand zum ersten Mal das von den Berliner Veranstaltern Headquarter ausgerichtete Summerize Festival statt. An die fünfzehn bekannte und weniger bekannte, tolle und weniger tolle Berliner Bands und DJs luden auf drei Bühnen zum Wiedersehen ein, lieferten den zumeist unaufgeregten Soundtrack für das, weshalb man eigentlich gekommen war: Die vielen freundlichen, lang nicht gesehenen Menschen, mit denen es sich trefflich reden ließ über den anstehenden Kohlekauf, über die kratzigen Winterpullis, die man jetzt wieder hervorkramen soll, über die zu planende Fernreise im Februar, damit der Berliner Winter nicht gar zu schrecklich werde.

Am Anfang, gegen Nachmittag also, entpuppte sich die Entscheidung der Veranstalter, im Innenhof der Kulturbrauerei, unter freiem Himmel also, eine Bühne aufzuschlagen, in der Idee gut, in der Durchführung als Flopp. Den Regen hätte man ja gerade noch verkraftet, kollektive Sprints unter die wenigen aufgestellten Sonnenschirme hatten durchaus etwas Verbindendes – neue Bekanntschaften konnten geknüpft werden – die Auflage allerdings, den Sound wegen der Anwohner auf Zimmerlautstärke zurückzuschrauben, entpuppte sich für viele Bands als Desaster. Die HipHop-Puppenband Puppetmastaz, sonst für ihre überbordenden Shows bekannt, schrumpfte leider auf albernes Kasperletheater zusammen – nur noch wirklich witzig für die zahlreich erschienenen Kinder, meist Kinder der in der Nähe Wohnenden vermutlich, die keinen Eintritt bezahlen mussten, wie es hieß. Und Berlins sexiest Performerin Peaches, deren monotone Musik auf Lautstärke angewiesen ist wie keine, meisterte die unglückliche Lage nur, indem sie noch aufreizender mit dem Hintern wackelte als gewohnt.

Langsam ging der Nachmittag in den Abend über, neuerdings wird es ja schon um acht dunkel, galt es gemeinsam herumzujammern, und die Bands wanderten unters Dach, in die Kantine und das Palais der Kulturbrauerei. Hier stellte sich heraus, dass dies die besseren Orte gewesen wären für die Puppetmastaz, Peaches oder andere showorientierte Acts – dass elektronische Musik mit Songstrukturen im Normalfall aber nichts ist, worauf man Lust hätte, sich eingehend zu konzentrieren, sondern etwas zum Nebenbeihören, also für draußen, gern auch in Zimmerlautstärke, zum dabei Herumstehen und Biertrinken und den Herbst diskutieren. Egal, ob es sich bei den Musikern um Phantom Ghost, To Rococo Rot oder Barbara Morgenstern handelte: Alle diese haben schöne Platten zum Zuhausehören gemacht, Hintergrundmusik fürs Dämmern, Putzen oder Duschen beispielsweise, sind aber live leider stinklangweilig. Dirk von Lowtzow von Phantom Ghost etwa weiß ohne seine Gitarre, die er bei Tocotronic braucht, einfach nicht wohin mit seinen langen Gliedern, To Rococo Rot könnten statt ihrer selbst auch lebensgroße Puppen auf der Bühne abstellen und backstage so lang einen trinken gehen, und Barbara Morgenstern reißt sich auch nicht gerade die Wäsche vom Leib, wenn sie spielt.

Aber ach, was soll’s, Schwamm drüber, man stand halt noch ein Weilchen weiter rum, bevorzugt in den weniger beschallten Fluren und Garderoben, der Sommer war groß, wer jetzt kein Haus hat und so weiter, es war ein schönes Abschiedsfest.

SUSANNE MESSMER