Seehäfen wollen neue Straßen

Mehr Investitionen für die Seehäfen und die Verkehrsverbindungen ins Hinterland fordern alle norddeutschen Handelskammern. Die Tore zum Welthandel müssten weiter geöffnet bleiben

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Mehr Geld für die deutschen Seehäfen haben Vertreter der norddeutschen Wirtschaft am Mittwoch von der Bundesregierung gefordert. Rund 500.000 Arbeitnehmer in Deutschland seien direkt und indirekt von der Hafenwirtschaft abhängig. Diese habe eine jährliche Bruttowertschöpfung von 29 Milliarden Euro und eine Steuerleistung von etwa elf Milliarden Euro, rechnete der Vizepräsident des Deutschen Industrie- und Handelstages, Hans-Heinrich Driftmann, in Hamburg vor. Die jährlichen Investitionen von Bund und Ländern für die Hafenwirtschaft lägen aber nur bei 1,6 Milliarden Euro. „Das ist ein krasses Missverhältnis“, sagte Driftmann.

Und deshalb forderte er auf einem Hafen-Symposium in der Handelskammer Hamburg einen „Investitionsschwerpunkt“ für die Seehäfen und ihre Hinterlandanbindungen. Die Häfen erfüllten für die Exportwirtschaft eine nationale Funktion und ihr Ausbau liege im Interesse ganz Deutschlands, sagte Manfred Wendt, der Präsident der IHK Nord, am Mittwoch bei einer Fachtagung in Hamburg. Die IHK Nord ist ein Verbund von 13 norddeutschen Industrie- und Handelskammern aus Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen und Nordniedersachsen.

Der Seeverkehr sei „das Fließband der Globalisierung“, sagte Handelskammer-Präses Frank Horch. 90 Prozent des Welthandels werde durch Schiffe bewältigt, für die Außenhandelsnation Deutschland seien die Häfen „die Tore zur Welt“. Ohne sie würde „der Export-Weltmeister Deutschland sich vom Welthandel abkoppeln“, fürchtet Driftmann.

Die aktuelle Wirtschaftskrise wird nach Ansicht der Nord-Wirtschaft das Wachstum der Häfen nicht grundsätzlich bremsen, sondern nur verzögern. Und weil „das Niveau global sinkt, bleiben die relativen Positionen unverändert“, sagte Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts. „Die Starken bleiben stark, aber sie bekommen Zeit, Engpässe zu beseitigen“, so Straubhaars Analyse. Deshalb müsse jetzt in die Häfen, die Hinterlandanbindungen und die Qualifizierung der Beschäftigten investiert werden: „Wir müssen die Weichen stellen für den Aufschwung der Zukunft.“

Gegenwärtig würden mehr als 50 Prozent des seewärtigen Außenhandels über deutsche Häfen abgewickelt; bis 2025 sollen es bereits 57 Prozent sein, heißt es in einer Studie zu der Tagung. Damit würde sich der Hinterlandverkehr der größten Häfen auf Straßen und Schienen ungefähr verdreifachen.

Der Wunschzettel der Nord-Kammern, auf dessen Erfüllung sie nun drängen, ist lang. Er beinhaltet die Y-Bahntrasse durch die Lüneburger Heide und die Ertüchtigung der Hamburger Hafenbahn sowie den Ausbau von Nord-Ostsee- und Elbe-Lübeck-Kanal. Zudem hätten sie gern jede Menge neuer und breiterer Straßen – den Bau der Autobahn 20 mit Elbtunnel bei Glückstadt und der Brücke über den Fehmarnbelt sowie den Ausbau fast aller bestehenden Autobahnen im Norden.

Und selbstverständlich müsse es, so Horch, „die Elbvertiefung ohne Wenn und Aber geben“.