„Das emotionalste Format des Jahres“

Kämpf um deine Quote: SAT.1 präsentierte in Hamburg seine neue „socialtainment“-Serie: Kämpf um deine Frau! Ab September mühen sich 12 Männer im Fernsehcamp, die Gunst verflossener Lieben zurückzugewinnen

Von Marco Carini

Als wäre es tabu: Das Wort „Quote“ fällt kein einziges Mal. Obwohl es an diesem Abend nur darum geht, alles vorzubereiten, damit die, deren Name nicht genannt werden darf, in schwindelerregende Höhen klettert, werden andere Begriffe in den Vordergrund gepuscht: „Emotion“ etwa, nie deutsch, immer englisch „imoschen“ ausgesprochen. Oder– noch so ein anglophiles Wort – „socialtainment“ – dessen Schöpfer zu sein SAT.1– Unterhaltungschef Matthias Alberti sich rühmt.

Wir befinden uns im „Tafelhaus“ im Erdgeschoss einer dieser quaderförmigen Neubauten, direkt an der Neumühlener Elbpromenade. SAT.1 hat geladen, um seine neue Reality-Show „Kämpf um deine Frau“ zu präsentieren. Passend zum Thema wird „Eifersuchts-Champagner“ und „Fremdgeher-Bier“ gereicht; für den Gaumen werden Schwertfisch-Steaks und halbe Hümmerchen kredenzt. 6.000 Euro kostet allein die Saalmiete plus Bewirtung; der Sender lässt sich nicht lumpen.

Andrea Kiewel, die Moderatorin des neuen „Formats“, führt durchs Programm. Dass sie etwas steif rüberkommt, mag an ihren Schuhen liegen, deren überhohe Absätze kaum Cent-Durchmesser erreichen und deren schlanker Schnitt die Zehen wie ein Fuß-Korsett auf schmerzhafte Weise in Form bringt. Wir erfahren worum es geht: 12 Männer, deren Beziehung gescheitert ist, begeben sich – eingepfercht in ein hübsch gestaltetes Containerdorf – vor laufenden Kameras auf den Weg der Selbstveränderung, um die Verflossene wiederzugewinnen.

Damit sie dieses hehre Ziel auch erreichen, erwartet die Männer im Camp ein ausgewiesenes Experten-Team für alle Lebenslagen: Der Trainer, Captain Kent Anderson, ein junger rennommierter Football-Coach, der den Männern Disziplin und „Body-Bewusstsein“ beibringen, ihre Waschbär-Bäuche zu Waschbrettern formen und sie in das kleine Einmaleins der Körperpflege einführen soll. Die beiden attraktiven Fitness-Trainerinnen, die aussehen wie belebte Barbys, und die für die Camp-Bewohner Ansporn und Versuchung zugleich sein sollen. Die Psychotherapeutin und Psychodramatikerin, die dem Millionenpublikum tiefe Einblicke in das Seelenleben der Beziehungs-Gescheiterten garantieren soll. Und schließlich die Hauswirtschafterin, eine optisches Double der Ariel-Clementine, die den Männern zeigen soll, wie man Wäsche nicht nur sauber, sondern rein wäscht.

Ausgewählt unter den 5.000 Bewerbern wurden mit Hilfe psychologischer Eignungstests ausschließlich Männer „mit starkem Veränderungswillen, ohne Gewaltbereitschaft und ohne Alkoholprobleme“, verrät Gisela Marx, Mitentwicklerin und Produzentin des neuen TV-Events. Die Erfinderin der Gerichtsserie „Barbara Salesch“ und der Psychologie-Show „Zwei bei Kallwass“ erläutert noch eine weitere Voraussetzung: Die Verflossenen der Kandidaten müssen „mitspielen“ – bereit sein, die Fortschritte ihres ehemaligen Lebensabschnittspartners vom Macho zum Frauenversteher vor laufenden Kameras zu kommentieren. „Bei den meisten Frauen kam es gut an, dass ihre Männer bei uns an sich arbeiten wollen“, verrät Marx. Fünf Kandidaten seien gar abgesprungen, „weil ihre Frauen so gerührt waren, dass sie ihre Männer sofort wieder zurückgenommen haben“.

Das Camp-Konzept kennt Vorbilder – „Big Brother“ und „Deutschland sucht den Superstar“ fallen einem ein –, ist aber, anders als die meisten aus Amerika und England importierten Reality-Shows, ein Unikat, ausgebrütet im „Format-Entwicklungsbereich“ des Senders. „Das emotionalste Format des Jahres“, verspricht SAT.1-Unterhaltungschef Alberti, der sich sicher ist: „Ein großer Erfolg liegt vor uns.“

Man mag einräumen, dass im Vergleich zu den Urwald-Camps mit Ekelbeilage und der umstrittenen Schönheitschirurgie-Doko „The Swan“ das Männer-Camp noch zu den gehaltvolleren Angeboten der Abteilung Reality-TV gehören könnte. Dass die Idee ein ganz hübscher Versuch ist, das ewige Geschlechterthema in ein fernsehtaugliches „Format“ zu pressen. Wäre da nicht die moralische Überhöhung, mit der die Voyeurismus-Show in Hamburg vermarktet wird.

„Die Persönlichkeit der Männer entwickeln“, will etwa die Camp-Psycholgin Gabriele Stiegler, „Paare wieder miteinander ins Gespräch bringen“ die Produzentin Gisela Marx, einen „Hilfsakt mit sozialen Inhalten leisten“ gar SAT.1-Chef Roger Schawinski. Geht es darum, dem potenziellen Quoten-Knüller gesellschaftliche Relevanz abzupressen, mutieren die Verantwortlichen flugs zu einem Heer von Gutmenschen und SozialarbeiterInnen.

Und das soziale Engagement der SAT.1-Verantwortlichen ist damit noch längst nicht am Ende der Fahnenstange angelangt. Noch bevor die Reality-Show überhaupt angelaufen ist, haben die vorausschauenden Fernsehgewaltigen bereits Nachfolge-Ideen im Köcher für die Zeit, in der das Männer-Camp-Konzept ausgelutscht ist. Der Sender nahm bereits mehrfachen Titelschutz in Anspruch. Die Rechte an „Kämpf um deinen Mann!“, „Kämpf um dein Kind!“ und „Kämpf um deine Eltern!“ sind schon gesichert.