Der Aktionspolitiker

Martin Sonneborn, Vorsitzender der Partei „die Partei“, stellte im Babylon-Kino sein Buch zum Superwahljahr vor – und forderte die endgültige Teilung Deutschlands

Etwa 350 Menschen kamen am Dienstagabend ins Berliner Babylon-Kino, um Martin Sonneborn zu sehen. Der Ex-Chefredakteur und Mitherausgeber von Titanic, zugleich Vorsitzender der 2004 gegründeten Partei „die Partei“, sollte sein bei KiWi erschienenes Buch zum Superwahljahr vorstellen. In dem Buch berichtet der Vollblutpolitiker, der die WM per Bestechung nach Deutschland holte und seit 2006 die Satirerubrik „Spam“ auf Spiegel Online betreut, anschaulich von der Geschichte und Vorgeschichte der Partei „die Partei“, der im Herbst gute Chancen eingeräumt werden, ein achtbares Ergebnis zu erzielen.

Das Publikum wurde mit beliebten Schlagern aus der DDR („Nach Süden“ von Lift) und dazu passenden Lichtbildern eingestimmt. Unter großem Beifall betrat der Parteivorsitzende das Podium, setzte sich vor seinen Sony-Laptop und bat den Zivildienstleistenden, das Licht herunterzufahren. Dann gab es einstimmende Videos von Parteiveranstaltungen. Die endgültige Teilung Deutschlands ist das Ziel; der bekenntnishafte Slogan der Partei „die Partei“ (mit vollem Namen: „Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative“) lautet: „Wir sind eine Partei, weil wir eine Partei sind!“ 30 Mitarbeiter von KiWi seien schon bei der Partei „die Partei“ eingetreten.

Alles begann 1998, als der Aktionspolitiker damit anfing, in alle Parteien einzutreten, und mit Titanic-Kollegen Fake-Wahlkampfveranstaltungen für die SPD, FDP und die CDU organisierte. Teils trashig und vor allem sehr komisch – besonders die Episoden aus dem hessischen Landtagswahlkampf 2003, als fünf, sechs Titanic-Mitarbeiter in billigsten C&A-Anzügen als Gerhard Bökel (der eher unbekannte damalige SPD-Spitzenkandidat) mit lustigen Visitenkarten Wahlkampf machten: „Warum nicht gleich Bökel wählen?“, „Bökel – Mein Motto, Ihr Motto“ usw.

Dann ging es um die Aktionen der 2004 gegründeten Partei „die Partei“, die mit Slogans wie „Die DDR hat es nie gegeben“ oder „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen – Außer uns!“ für Aufsehen und gute Laune sorgte. Sie brachte die „IG Bau“ an der Grenze zwischen Thüringen und Westdeutschland dazu, ihr beim Bau einer symbolischen Mauer behilflich zu sein.

Highlight des schönen Abends waren die Wahlspots, die die Partei „die Partei“ zur Bundestagswahl 2005 geschaltet hatte. Bekanntlich hatte man für diese Spots Schleichwerbung bei Ebay versteigert. Ein Billigflieger hatte 25.000 Euro gezahlt und wurde so leicht Augsburger-Puppenkiste-mäßig in den Wahlspot eingeschmuggelt. Unglaublich, aber auch wieder toll, dass der Spot tatsächlich vom ZDF gesendet wurde. Am Ende berichtete Sonneborn noch von einem denkwürdigen Staatsbesuch der Partei „die Partei“ bei der georgischen Arbeitspartei.

Dem Vorsitzenden und seinen Mitstreitern schlug viel Wertschätzung und Anerkennung entgegen. Komisch, dass die Partei „Die Grünen“ nicht karikiert wurde. Eine spätere Recherche auf www.parteien-online.de schien zu ergeben, dass Teile des Parteiprogramms der Partei „die Partei“ von der grünen Partei stammen.

Artverwandte Parteien, die 2005 anlässlich der Berliner Abgeordnetenhauswahl noch unter dem Dach der Partei „die Partei“ mit der Partei „die Partei“ zusammenarbeiteten, wie etwa die APPD, die KPD/RZ und die Pogo-Partei (POP), wurden nicht erwähnt.

Auf dem Nachhauseweg dachte ich an den großartigen Wahlkampf der Schlingensief-Partei „Chance 2000“ von 1998 und an Karl Nagel, den ehemaligen Chefideologen der APPD. Sehr gut gefällt mir auch die 2008 gegründete „Miss Great Britain Party“, deren Kandidatinnenliste vor allem aus Frauen besteht, die in der Vergangenheit an Miss-Great-Britain-Wahlen teilnahmen. DETLEF KUHLBRODT