Saxofonsolo auf Platz elf

Mit musikalischer Begleitung erreicht Rainer Schüttler beim vierten Grand-Slam-Turnier des Jahres sein viertes Achtelfinale, möchte bei den US Open aber noch für ein paar Paukenschläge sorgen

aus New York DORIS HENKEL

Am Abend seines 50. Spiels bei einem Grand-Slam-Turnier war Rainer Schüttler zufrieden mit sich und der Welt. Der Mann vom Fahrdienst hatte ihn diesmal pünktlich und ohne größere Umwege am National Tennis Center abgeliefert, mit dem Lunch war alles in Ordnung gewesen, und dann hatte er sich mit einer Leistung für die zweite Woche der US Open empfohlen, von der er selbst ziemlich angetan war. „Viel besser als heute kann ich nicht spielen“, meinte er nach dem deutlichen Sieg in drei Sätzen gegen den Spanier Alberto Martín (6:1, 6:4, 6:2). Aber da er ein Mensch ist, der die Dinge gern abwägt, erkannte er auch gleich die darin lauernde Gefahr: bloß nicht den Fehler machen und erwarten, das müsse deshalb Dienstag im Achtelfinale gegen den Niederländer Sjeng Schalken auch so sein.

Wieder, wie in Wimbledon, ein Achtelfinale gegen Schalken, zum dritten Mal in Folge ein Achtelfinale gegen einen aus dem Oranje-Team, denn in Paris bei den French Open hatte er gegen den späteren Finalisten Martin Verkerk gespielt und verloren. Die Bilanz gegen Schalken steht 1:2 und gemessen an der Qualität der letzten Begegnung ist reichlich Raum für Verbesserungen. Schalken hatte in Wimbledon Probleme mit dem Fuß, Schüttler zog sich während des Spiels eine Zerrung im Oberschenkel zu, und so gewann mit Schalken schließlich derjenige, der ein klein wenig besser laufen konnte an diesem Tag.

Schwer zu sagen, wie es um die aktuelle Form des Niederländers bestellt ist. In der zweiten Runde gegen Schüttlers Kumpel Lars Burgsmüller hatte Schalken nach zwei desolaten Sätzen Glück, dass Burgsmüller körperlich abbaute und am Schluss kaum mehr stehen, geschweige denn rennen konnte. Beim Sieg am Sonntag in drei Tiebreaks gegen den kroatischen Riesen Ivo Karlovic steigerte er sich zwar, zeigte aber nur Ansätze jener Form, die ihn vor einem Jahr bei den US Open bis ins Halbfinale geführt hatte.

Dass es auch diesmal viel zu laufen geben wird, erwarten beide Kandidaten. Schüttler sagt, das sei, was ihn betreffe, kein Problem. Obwohl er in diesem Jahr unter den besten Profis die meisten Spiele in den Beinen hat, hat er das Gefühl, der Akku sei noch lange nicht leer. „Ich fühl mich wohl, und es ist alles in Ordnung.“ So was hat er bei den US Open noch nie gesagt, und mittlerweile hat er sich sogar mit dem Unvermeidlichen arrangiert. Gegen Martin spielte er auf Platz Nummer elf, vom nahen Corso drangen die Töne einer Band herüber, die Modern Jazz spielte, aber selbst der ausdrucksstarke Saxofonist brachte ihn nicht aus dem Konzept. Nur wer mit solchen Dingen leben kann, der hat eine Chance in New York.

Erfolgsmeldungen im Kleinen wie im Großen. Beim vierten Grand-Slam-Turnier 2003 hat Schüttler nun zum vierten Mal mindestens das Achtelfinale erreicht – eine Konstanz auf hohem Niveau, die außer ihm nur Andre Agassi und der Spanier Juan Carlos Ferrero zu bieten haben. Aber Schüttler will alles dafür tun, dass es noch weiter geht. Zum einen erinnert er sich zu gern an das Gefühl seines Fluges auf Wolke sieben als Finalist in Australien, und zum anderen findet er, zwei Niederlagen im Achtelfinale in Paris und Wimbledon seien genug.

Er will mehr vom Kuchen – auch damit für die anderen weniger übrig bleibt. Jeder weitere Sieg bringt ihn auf dem Weg zum Masters Cup der besten acht in Houston Mitte November ein Stück voran. Zurzeit liegt er auf Platz sechs vor dem Spanier Carlos Moya und David Nalbandian aus Argentinien, die am Sonntag ebenfalls die vierte Runde erreichten. „Je weiter ich hier komme, desto weniger Punkte können die anderen machen“, sagt Schüttler, aber er ist sich bewusst, dass die Angelegenheit vermutlich erst nach den US Open bei den Mastersturnieren in Madrid und Paris-Bercy entschieden werden wird.

Es sei denn, er bucht noch mal einen Flug auf Wolke sieben … Fürs Erste wäre er allerdings schon ganz zufrieden, wenn er Dienstag gegen Sjeng Schalken mal auf einem der größeren Plätze spielen dürfte und nicht mehr verbannt wird auf Nummer zehn oder elf hinterm Corso. Nichts gegen den Saxofonisten, aber die Musik im Spiel macht er doch lieber selbst.