Bitte nicht nachspringen!

Baden ist gefährlich: In den letzten zwei Wochen verletzten sich sechs junge Leute die Wirbelsäule

VON MIRJAM DOLDERER
UND STEFAN KLOTZ

Gerade zwei Tage ist es her, dass im Neuköllner Sommerbad am Columbiadamm ein 16-jähriger Junge einen schweren Badeunfall erlitt: Er sprang einem anderen Badenden vom Drei-Meter-Turm hinterher und prallte mit dem Kopf auf dessen Schulter. Er muss befürchten, ein Leben lang querschnittsgelähmt zu bleiben. Der Bademeister hatte ihm den Sprung noch nicht erlaubt. In den letzten zwei Wochen häuften sich solche Unglücke: Sechs Badegäste mussten mit Rückenmarksverletzungen in die Klinik.

Das derzeitige Sommerwetter beschert dem Neuköllner Bad in diesen Tagen einen wahren Ansturm – bis zu 6.000 sind es, die hier täglich schwimmen. Wer von den Türmen springen will, muss hier eigentlich auf das Handzeichen des Bademeisters warten. Der sitzt auf einem gesonderten Turm und erteilt die Freigabe.

Anders – womöglich sicherer – ist das Springen nach Ansicht der Verantwortlichen nicht zu regeln: „Man muss abwägen. Wir können den Badegästen keine Zwangsmaßnahmen zumuten“, sagt Peer Schmidt, Regionalleiter der Berliner Bäderbetriebe und zuständig für den Bezirk Neukölln. „Zusätzlich zu der Aufsicht, die den Absprung regelt, vertrauen wir auf die Mithilfe Jugendlicher, die zum Beispiel den Ansturm an der Treppe regulieren. Aber Uneinsichtige wird es immer geben.“

Tatsächlich können Bademeister an überfüllten Becken wenig am Leichtsinn einzelner Badegäste ausrichten. „Die meisten springen ins Wasser, ohne zu wissen, wie tief es ist“, sagt auch Frank Villow von der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft Berlin. Er beobachtet derartigen Übermut auch in Badeseen und kritisiert, dass das Land in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der überwachten Gewässer um die Hälfte verringert hat. „Nur noch an 27 Berliner Seen beaufsichtigt die DLRG Badende.“ Eine Entwicklung, die Villow für falsch hält: „Die Seen werden immer beliebter. Steigende Preise werden in Zukunft die Badelustigen weiterhin von Freibädern fern halten.“

Neurochirurg Andreas Niedeggen leitet die Abteilung für Rückenmarksverletzungen am Unfallkrankenhaus Berlin. Die sechs schwer Verunglückten kamen hierher, vier davon sind in Brandenburger Seen verunglückt. „Bisher sind das so viele wie im ganzen Jahrhundert-Sommer des Vorjahres“, sagt Niedeggen. Er rechnet noch mit weiteren Fällen: „Sechs bis neun pro Jahr sind leider normal.“

Möglichkeiten, die Zahl von Unglücken mit Querschnittslähmung zu senken, schätzt er begrenzt ein: „Bei Vorträgen, die ich über die Vermeidung von Badeunfällen halte, hören mir fast nur Leute zu, die sowieso in keine fremden Gewässer springen.“ Die Unfälle, die das Leben der Betroffenen für immer verändern, passieren meist jungen Menschen: „Von den sechs in diesem Jahr Behandelten sind drei nicht älter als 16 Jahre.“