Bauermann führt klare Linie ein

Die deutschen Basketballer verlieren mit 77:80 nur knapp gegen die USA. Doch während die Amerikaner bei Olympia Gold gewinnen wollen, sind die Deutschen noch nicht einmal mit von der Partie. Sie müssen auf Peking 2008 hoffen

KÖLN taz ■ Wenn das Basketball-Team der USA in drei Wochen erneut die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen gewinnen sollte, kann der Jubel eigentlich kaum größer sein als am Mittwoch in der Kölnarena nach dem 80:77 gegen die deutsche Mannschaft. Wie ein Rudel ausgehungerter Wölfe stürzten sich die Spieler auf ihren Kapitän Allen Iverson, und wäre der nicht so ein zäher Bursche, hätte man um seinen Unversehrtheit fürchten müssen. Getrieben waren die US-Spieler jedoch nicht von finsteren Absichten, sondern von der unbändigen Freude darüber, dass Iverson in den letzten Sekunden der Partie mit einem phänomenalen Wurf aus riesiger Distanz zum Sieg getroffen hatte. Kurz zuvor hatte Dirk Nowitzki mit einem fast ebenso phänomenalen Wurf den Ausgleich geschafft und die vermeintliche Verlängerung erzwungen.

Den Zuschauern wäre eine Zugabe recht gewesen. Es war ein unterhaltsames Basketballspiel mit spektakulären Szenen, viel Tempo, einem dramatischen Finish, einem alles überragenden Dirk Nowitzki und einem US-Team, das zwar sein Potenzial längst nicht ausschöpfte, aber viel besser spielte als am Tag zuvor beim Debakel gegen Italien. „Man hat alles gesehen, was es gibt in unserem Sport“, sagte Nowitzki. Es war aber auch ein merkwürdiges Match. Obwohl es sich lediglich um ein relativ unwichtiges Freundschaftsspiel handelte, hatte die Partie für beide Teams eine immense Bedeutung. Für die Amerikaner, weil sie auf dem Weg nach Athen unbedingt Selbstvertrauen brauchen, also Erfolge, und die Gewissheit, als Team funktionieren zu können. Für die Deutschen, weil der Abend in der mit 18.000 Zuschauern ausverkauften Kölnarena schlicht der Höhepunkt ihres Basketball-Jahres war.

Für sie gibt es keinen Weg nach Athen, und Dirk Nowitzki räumt ohne weiteres ein: „Der Dorn sitzt tief.“ Richtig realisieren werde man das erst, wenn die olympische Eröffnungsfeier laufe, „und du sitzt zu Hause vor dem Fernseher“. Olympia sei sein großer Traum, schon Sydney habe man unglücklich verpasst, aber das Scheitern bei der EM im letzten Jahr sei besonders bitter gewesen. Schließlich war man nach dem Bronze-Gewinn bei der WM 2002 als einer der Favoriten ins Turnier gegangen. Doch während die USA und der andere Kölner Gegner Italien nun die Vorbereitung auf ihr Highlight des Jahres fortsetzen, müssen die Deutschen mit der EM-Qualifikation 2005 im September einen neuen langen Anlauf für Peking 2008 beginnen.

Der neue Bundestrainer Dirk Bauermann war hochzufrieden mit den Auftritten in Köln. Gegen die Italiener wurde gewonnen, und „dass wir ein so gutes Team wie die USA am Rande der Niederlage hatten, zeigt, wie stark wir waren“. Das Ziel sei es gewesen, „wieder für positive Schlagzeilen zu sorgen, Basketball wieder in ein positives Licht zu rücken“. Das habe geklappt. Eine deutliche Anspielung auf die EM in Schweden, „wo wir nicht so als Team aufgetreten sind“, wie Dirk Nowitzki vorsichtig bemerkte. Der NBA-Profi machte keinen Hehl daraus, dass er den Trainerwechsel von Henrik Dettmann zu Bauermann begrüßt. „Bei Henrik wurde immer alles diskutiert, das war am Ende manchmal schon zu viel. Jeder hat seinen Senf dazugegeben“, sprach er für seine Verhältnisse recht deutliche Worte. Dettmann setzte stets auf den intelligenten und mündigen Spieler, ein Stil, der hervorragend funktionierte, solange die Mannschaft als Außenseiter ins Rennen ging. Als sie dann plötzlich der Favorit war, gerieten die Dinge aus den Fugen, und vor allem der Umstand, dass man einen der besten Spieler der Welt im Team hat, wurde weitgehend ignoriert. Anstatt auf die Stärke Nowitzkis zu bauen, versuchte das Team zu beweisen, dass es eigentlich auch ohne ihn auskommt. Im verlorenen Viertelfinale gegen Italien hatte Nowitzki nur 12-mal auf den Korb geworfen, nun gegen die USA traf er allein 13-mal und nahm insgesamt 23 Würfe.

„Jetzt gibt es eine klare Linie“, sagt Nowitzki über Bauermanns Regime, „und wem sie nicht passt, der kann gehen.“ Die Linie des neu komponierten Teams, in dem die alte von Dettmann gepflegte Alba-Berlin-Dominanz gebrochen ist und auch der Veteran Denis Wucherer wieder sein Scherflein beitragen darf, heißt im Wesentlichen Dirk Nowitzki. Besonders der Bamberger Steffen Hamann, der Stabilität auf der Problemposition des Spielmachers bringt, setzt diese Linie um, während alle anderen brav ihre Rollen ausfüllen. Am Ende hatte Nowitzki gegen die USA 32 Zähler und 12 Rebounds, zweistellig punktete sonst nur noch Ademola Okulaja (10). „Wer einen Nowitzki hat, spielt immer guten Basketball“, lobte Carmelo Anthony, einer der Besten bei den USA, doch die Konzentration auf einen Spieler birgt natürlich auch Risiken. Vor allem, wenn dieser Spieler fehlt, was bei einem NBA-Star des öfteren vorkommen kann. Zur EM-Qualifikation will Nowitzki aber in jedem Fall auflaufen. Eine gute Voraussetzung dafür, dass der Weg nach Peking nicht gleich am Anfang in eine Sackgasse mündet.

MATTI LIESKE