Eine kleine Revolution

Mit der Isotopenanalyse hat der Verbraucherschutz eine effiziente Nachweismethode, um Lebensmittelfälschern und Subventionsbetrügern auf die Schliche zu kommen. Mit ihr kann der Ursprungsort von Lebensmitteln überprüft werden

VON KATHRIN BURGER

Ruhm und Aufregung, die diesen Gerätekomplex umgeben, sieht man ihm zunächst nicht an. Kupferdrähte, graue Schläuche, Monitore, angeschlossen an kastenartige Maschinen – das alles braucht man für die „Isotopenanalyse“. Mit ihr überführt man derzeit Subventionsbetrüger und Etikettenschwindler im Lebensmittelhandel. Denn die globalisierte Warenwelt ermöglicht nicht nur den Kauf von Reis aus dem Himalaja und Honig aus den Anden, sondern auch Tricksereien damit.

Isotope sind verschiedene Ausführungen des gleichen Elements. Sie besitzen zwar fast identische chemische Eigenschaften, unterscheiden sich aber in Gewicht und einigen anderen physikalischen Eigenschaften. So gibt es zum Beispiel mehrere Varianten des Sauerstoffatoms: [16]O, das mit einem Anteil von durchschnittlich 99,76 Prozent den Hauptteil des natürlich vorkommenden Sauerstoffs ausmacht. Daneben gibt es noch die schwereren Isotope [17]O und [18]O. Letzteres hat einen durchschnittlichen Anteil von lediglich 0,20 Prozent. Das konkrete Verhältnis dieser Isotope zueinander hängt von mehreren Faktoren ab und ist regional sehr unterschiedlich.

Diese regionalen Isotopenverhältnisse spiegeln sich auch in Mensch, Tier oder Pflanze wider, die in diesen Gebieten leben. Ein Spargel etwa, der in Schrobenhausen wächst, hat einen anderen „geografischen Fingerabdruck“ als einer, der auf spanischem Terrain gediehen ist – und genau das kann die Isotopenanalyse aufdecken.

Genutzt wird die Analyse mittlerweile auch von der amtlichen Lebensmittelüberwachung. Denn sie ist eine potente Waffe gegen Täuschung und Irreführung. Claus Schlicht und seine Mitarbeiter vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Oberschleißheim bei München bestimmen täglich die Isotope von Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasserstoff, Schwefel und Stickstoff. Elemente, die jede Pflanze über Wasser, Luft und Boden aufnimmt und verstoffwechselt. Hat der Lebensmittelchemiker Schlicht nun beispielsweise das Verhältnis der Sauerstoff-Isotope in Spargel ermittelt, kann er in einer Karte oder Datenbank nachsehen, woher dieser tatsächlich stammt. Oder besser: woher er sicher nicht stammt.

Allerdings werden bestimmte Isotopenverhältnisse durch das Klima beeinflusst. „Eine Hitze wie letztes Jahr verzerrt vor allem die Daten über Sauerstoff und Wasserstoff“, so Schlicht. Daher müssten Vergleichsdatenbanken immer aktuell sein und dafür sammle er auch regelmäßig „authentische“ Proben, etwa Erde aus der Region.

Reicht der Sauerstofftest nicht aus, macht er sich an die anderen Isotope. Einige Schwermetalle sowie Schwefel und Stickstoff lassen auf die eingesetzten Düngemittel schließen oder sagen etwas über die Bodenart aus. Neben Spargel untersuchen die Beamten unter anderem auch Honig, Reis, Fleisch, Wein, Joghurt und Butter.

Die Bayern schafften sich 1999 ein Gerät für Isotopenanalyse an, seit kurzem verwenden auch Beamte in Baden-Württemberg und Niedersachsen die Methode, die zuvor nur von Privatlaboratorien und Universitäten benutzt wurde: am Forschungszentrum Jülich in Nordrhein-Westfalen etwa oder von der Arbeitsgruppe um Professor Peter Horn an der Universität München.

Einig sind sich alle: Die Analyse löst eine kleine Revolution aus. „Sie ist eine zukunftsträchtige Methode“, schwärmt Schlicht, „bei uns nicht mehr wegzudenken.“ Früher haben die Beamten etwa bei Honig die Pollenart bestimmt. Pollen dürfen jedoch heute herausfiltriert werden. Für alle anderen Lebensmittel blieb nur: Lieferscheine prüfen. „Aber alles, was auf Papier steht, kann man leicht fälschen.“

Den durch Etikettenschwindel verursachten Schaden hat der Verbraucher. Denn Regionen stehen im vereinten Europa für Qualität, verleihen sogar oft eigene Gütesiegel. Dafür ist der Verbraucher auch bereit, ein wenig mehr zu zahlen. Für ihn sind es Centbeträge, für die Betrüger ein Vielfaches davon. Daher zählt falsche Etikettierung mittlerweile zur „organisierten Kriminalität.“

Aber auch der Steuerzahler ist von Etikettenschwindel betroffen: dann, wenn es um Subventionsbetrug geht. Die Ausfuhr beispielsweise von Butter in Nicht-EU-Staaten ist subventioniert. Betrüger transportieren die Butterpäckchen ins Ausland und kassieren auch dann, wenn die Butter nicht aus EU-Milch hergestellt wurde. Von 2001 bis 2002 sind so die Erstattungen der EU um 41 Prozent gestiegen. Solchem Betrug kann die Isotopenanalyse auf die Spur kommen.

Aber auch Schummlern mit „Bioware“kann das Handwerk gelegt werden: Rindfleisch vom Biobauernhof stammte laut Isotopenmuster von einem englischen Mastbetrieb. Bei Tieren bestimmt man, wie das Gewebewasser zusammengesetzt ist. Am Kohlenstoffgehalt eines Steaks können die Forscher sogar ablesen, was die Tiere einst im Futtertrog hatten – ob Tiermehl, Mais oder ausschließlich Heu und Getreide. Mais zum Beispiel bindet mehr schwere Kohlenstoff-Isotope aus der Luft als heimische Gräser.

Falsche Inhaltsstoffe, die dem Verbraucher Natürlichkeit und hohe Qualität vorgaukeln, bleiben der Isotopenanalyse ebenso wenig verborgen. Beispiel Aromen: Weil der natürliche Aromastoff zwischen 10- und 1.000fach teurer ist, sind auch hier viele versucht, Geld zu machen. Dann steht auf dem Etikett: natürliche Aromen. Was tatsächlich drinsteckt, sind vielleicht künstliche Stoffe. Auch Panschern, die Wein oder Saft mit Wasser strecken, kann die Isotopenanalyse auf die Schliche kommen. Mit Erfolg: „Ich untersuche seit 30 Jahren Weine. Panschereien kommen heute schon viel seltener vor“, erzählt Hilmar Förstel vom Forschungszentrum Jülich.

Gänzlich gegen Fälschung ist die Isotopenanalyse aber nicht gefeit. Einige wichtige Isotope, die man etwa zur Herkunftsbestimmung von Spargel verwendet, sind abhängig vom Wasser. „Wenn man Spargel länger wässert, dann kann er sich dem Isotopenverhältnis des Wassers angleichen“, so Schlicht. Deshalb müsse man immer auch Komponenten prüfen, die nicht fälschbar sind. „Das ist bei Spargel das spargeleigene Protein.“

„Die Betrüger sind einfallsreich und halten uns auf Trab“, weiß auch Markus Boner, Geschäftsführer der AgroisoLab GmbH, die als Ausgründung aus dem Jülicher Forschungszentrum hervorging. „Die Arbeit geht uns also vorerst nicht aus. Auch weil die Analyse für immer neue Anwendungsbereiche entdeckt wird.“ Die Identifizierung von Leichen geht damit voran (siehe Interview), Doping von Sportlern ist nachweisbar, und in den USA wurde damit die Herkunft von antiken Smaragden bestimmt.