Im Königreich des Kanzlers soll Ruhe herrschen

Gerhard Schröder hat sich als Spitzenkandidat für 2006 selbst gekrönt. Aufregung darüber gibt es in der SPD nicht. Denn jede Kritik am Parteichef könnte Selbstmord sein

BERLIN taz ■ Also, so viel Demokratie muss schon sein. Der Bundeskanzler habe sich nicht zum SPD-Kanzlerkandidaten für die Wahlen 2006 ausgerufen, sagt Regierungssprecher Thomas Steg. Für solche Fragen gebe es in der Partei klare Satzungen und Regularien. Schröder habe vergangene Woche deutlich gemacht, fügt Steg hinzu, dass er die Entscheidung seines Außenministers, 2006 noch mal anzutreten, begrüße.

Außerdem sei in der Medienberichterstattung vom Wochenende doch deutlich geworden, schließt der Regierungssprecher, was Gerhard Schröder und Joschka Fischer in den kommenden Jahren gemeinsam vorhätten. So sieht es aus, wenn der Kanzler offiziell bestätigen lässt, was jeder weiß, aber offiziell schwer zu bestätigen ist, will der Regierungschef nicht als selbstherrlicher Autokrat erscheinen. Es ist Montag kurz vor 12 Uhr.

Exakt zur selben Zeit, als der Regierungssprecher seinen – rein demokratietheoretisch gesehen – ehrenwerten Erklärungsversuch abgibt, schert sich der Bundeskanzler und SPD-Chef vorm Willy-Brandt-Haus in Berlin nicht um solche Feinheiten wie die Frage, ob ein Parteivorsitzender, der zunächst nur bis November 2003 gewählt ist, sich selbst zur Wiederwahl als Regierungschef im Jahre 2006 vorschlagen kann. Schröder kann. Schließlich regiert er in einer Mediendemokratie. „Wir machen klar, dass keiner die Brücke verlässt“, sagt er vor der SPD-Parteiratssitzung in die Kameras. Er begrüßt auch die Entscheidung von Joschka Fischer. „Deutschland braucht ein sehr anspruchsvolles Regierungsprogramm, das wir vorgelegt haben“, schiebt Schröder einen Satz als Begründung hinterher.

Damit hat der Kanzler jetzt offiziell bestätigt, womit sich bis zu diesem Zeitpunkt nicht ein einziges der führenden SPD-Gremien beschäftigt hat: Gerhard Schröder wird die Sozialdemokraten 2006 als Spitzenkandidat ins Rennen um das Kanzleramt führen. Vorigen Montag, als Präsidium und Vorstand der SPD tagten, hat Schröder kein Wort darüber verloren. Tags darauf in der Bundestagsfraktion machte er sich über die Diskussion um seine dritte Amtszeit lustig. Viele unterstellten da schon wieder eine großartige Strategie, sagte er amüsiert. Sollte heißen: Da ist nichts, schon gar keine Strategie. Immerhin hatten die Genossen dann am Freitag Gelegenheit, aus der Zeitung zu erfahren, dass Schröder und Fischer ihren Männerbund neu besiegelt haben.

Im sozialdemokratischen Königreich des Gerhard Schröder geht es schon länger so zu. Das Bemerkenswerteste daran ist, dass sich öffentlich kein Sozialdemokrat mehr darüber aufregt. Schröders Stellung in der SPD, als Kanzler wie als Parteivorsitzender, ist unangefochten. Ein Nachfolger für beide Posten ist spätestens nach Sigmar Gabriels Niederlage in Niedersachsen nicht in Sicht. Jede Kritik an Schröder erscheint in diesem Kosmos als Selbstmord, weil sie ab jetzt den sozialdemokratischen Kanzler bis 2010 und dessen rot-grünes Jahrhundertprojekt gefährdet.

So mucken die SPD-Abgeordneten nur noch dosiert auf – wenn es Erfolg auf Veränderung von Gesetzesvorhaben verspricht, wie bei den Gemeindefinanzen und der Windenergie. Schließen übergeordnete politische Interessen, wie der Konsens mit der Union bei der Gesundheitsreform, jede weitere Änderung aus, ballen die Genossen die Faust in der Tasche. Und stimmen im Bundestag mit ihrem Kanzler. JENS KÖNIG