Bauklötze mit dem Körper niedergewalzt

Mit dem 11. September verlor sein Stück „Giant Empty“ Abstraktion und Ambivalenz: John Jasperse gastiert beim Laokoon Festival auf Kampnagel

Amerikanische Choreographen zieht es zunehmend nach Europa. Einer von wenigen, die es noch in New York hält, ist der 39-jährige John Jasperse. Und auch er hat jetzt ein Standbein in Frankreich, kooperiert mit William Forsythes Ballett Frankfurt und ist in der kommenden Spielzeit an Sasha Waltz‘ Berliner Schaubühne engagiert.

Jetzt ist er mit seiner Compagnie, in der er selbst auch tanzt, mit seinem viel beachteten Stück Giant Empty beim Laokoon Festival auf Kampnagel zu Gast. Diese Arbeit lebt aus der Spannung zwischen Abstraktion und Theatralität. „Mein Hintergrund ist der amerikanische postmoderne Tanz von Choreographen wie Lucinda Childs, Trisha Brown, Steve Paxton“, sagt er. „Aber ich gehöre zu einer nächsten Generation, die auch das europäische Tanztheater einbezieht.“

Letzteres hat er als Tänzer bei Anne Teresa de Keersmaeker in Brüssel Anfang der 90er ausgiebig studiert. Als Choreographen kennt man ihn hier, seit er mit seinem Erfolgsstück Exscessories Mitte der 90er auf renommierten Festivals überall in Europa zu sehen war. In seiner Heimat dagegen bereiste er zum ersten Mal 2001 Städte außerhalb New Yorks. „Meine Arbeit ist zwar nicht einfach“, erklärt der Künstler. „Doch Amerika hat während der letzten 20 Jahre gar nichts mehr getan, um dem zeitgenössischen Tanz ein Publikum zu erschließen.“ Unzugänglich kann man Jasperses Tanz allerdings nicht nennen. Fest glaubt er an die Kraft reiner Körperlichkeit und purer Bewegung, die seit jeher die Stärke amerikanischer Choreographen ausmacht. Nur dass John Jasperse diese nicht ungebrochen auf die Bühne bringt, sondern subversiv unterwandert. Die Abstraktion will er in konkrete Formen gießen.

Für Giant Empty, das im Mai 2001 in Frankfurt uraufgeführt wurde, wurde dieser Kontext ein paar Monate später allerdings mit einem Schlag zu konkret: Die Skyline aus hölzernen Bauklötzen, die eine Frau erst überklettert und dann niederwalzt, ließ nach dem 11. September Ambiguität kaum mehr zu. Dabei geht es in dem Stück um abstrakte Themen wie Konstruktion, Dekonstruktion, Trennung und Grenzziehung. Ein Duett zweier nackter Männer changiert in dem Stück raffiniert zwischen anatomischer Studie, Tanzpose und Erotik. Allerdings geht John Jasperse der Ruf als „Nackt-Choreograph“ mittlerweile ziemlich auf die Nerven. Doch daran wird er so schnell nichts ändern. Denn sein lakonisch witziger Penis-Tanz in der ansonsten kühl konzeptuellen Stilstudie Excessories hat schon Tanzgeschichte geschrieben. MARGA WOLFF

John Jasperse: Giant Empty, 3.– 5. 9., 20.15 Uhr, Kampnagel