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: Leben im Verborgenen: Detlef B. Blettenberg lässt in „Berlin Fidschitown“ vietnamesische Syndikate in den Untergrundkrieg ziehen

Die Vietcong-Connection

Berlin liegt in Ho-Chi-Minh-Stadt. Oder umgekehrt. Legt man die Pläne der beiden Städte übereinander, muss man zwar ein bisschen schieben und schummeln, dann aber werden die Parallelen offensichtlich. Die Wasserflächen bilden ähnliche Muster und an Stelle des Berliner Doms und der Hedwigs-Kathedrale stehen buddhistische Tempel. Bei dieser Entdeckung gerät auch einer der Helden in Detlef B. Blettenbergs Thriller „Berlin Fidschitown“ ins Staunen – nicht zuletzt weil er dadurch neue Einblicke in die Logistik der vietnamesischen Gangs gewinnt, auf deren Spur er ist.

Doch auch wenn sich Ho-Chi-Minh-Stadt in Berlin spiegelt: das vietnamesische Leben in dieser Stadt spielt sich weitgehend im Verborgenen ab. Obwohl knapp 10.000 Vietnamesen in Berlin wohnen, lebt ein großer Teil von ihnen in abgeschotteten Parallelökonomien.

Der Krimiautor Blettenberg erzählt, wie es sein Genre verlangt, vom Leben vietnamesischer Gangster. Auch bei ihm agieren die Vietnamesen in Berlin weit von der sichtbaren Oberfläche entfernt; in seinem Thriller bekriegen sich zwei vietnamesische Syndikate in Bunkern und Tunnelanlagen. Blettenbergs erfundene Unterwelt knüpft dabei an eine reale vietnamesische Tradition an: Schon vor dreißig Jahren kämpfte der Vietcong von einem riesigen Tunnelsystem aus gegen die südvietnamesische Armee und amerikanischen Truppen – mit einer beeindruckenden Infrastruktur: Konferenzsäle gab es ebenso wie Küchen und Krankenstationen.

In Blettenbergs Unterwelt sind selbst die Anführer dieselben wie in den historischen Cu-Chi-Tunneln, nur die strategischen Allianzen sind im Roman noch einen Tick undurchsichtiger als in der Wirklichkeit.

In der komplizierten Gemengelage verschiedenster Syndikate muss sich Surasak „Farang“ Meier zurechtfinden: ein Thai mit deutschem Vater, der in Bangkok den Auftrag erhält, Geld zurückzuholen, das der deutsche Zuhälter Gustav Torn mit der Prostitution thailändischer Kinder verdient hat. Torn wurde zwar von chinesischen Triaden aus Thailand vertrieben. In Berlin hat er sich jedoch mit kriminellen Südvietnamesen, dem so genannten Bund der Mildtätigen, verbündet und ist den Chinesen deshalb immer noch ein Dorn im Auge.

Obwohl „der Feind meines Feindes mein Freund ist“, wie Farang die Interessen seines chinesischen Auftraggebers zusammenfasst, muss er in Berlin deutlich mehr tun, als sich bloß mit den Gegnern der Mildtätigen zu verbünden. Unterstützung erfährt er dabei unter anderem von der suspendierten Kriminalbeamtin Romy Asbach.

Blettenberg lässt sich reichlich Zeit, um das Gewirr der temporären Allianzen vor dem Leser auszubreiten. Dabei leidet die Dramaturgie bisweilen unter den vielen Nebenplots. Dröge wirken auch manche Ausflüge in überirdische Berliner Milieus – in die prototypische Eckkneipe etwa oder in die Welt des einst bei den Verkehrsbetrieben angestellten Tunnel-Streckenläufers Rudi, der jetzt im Alkohol versumpft.

Dafür gibt es spannende Einblicke in den thailändischen Alltag – ebenso wie in das Tunnelleben der Vietnamesen. Der Autor hat ein Händchen für atmosphärische Inszenierungen – da scheint seine Arbeit als Drehbuchautor durch. Zudem hat Blettenberg viel Zeit als Entwicklungshelfer in Asien und Lateinamerika verbracht und füttert so seine Ausführungen mit fundierten Hintergrundinformationen. Klischees über Asien ruft er beim Leser kurz auf, um sie dann mit einem eleganten Dreh zu entkräften.

Und auch die unterirdischen Episoden sind inspirierend, wenn man den Berliner Untergrund nur aus der U-Bahn kennt. Ob sich letztlich der ehemalige Vietcong oder die südvietnamesischen Mildtätigen durchsetzen und auf welchem Weg Farang an sein Geld kommt, ist fast zweitrangig. Der verschachtelte Plot ist nicht das Interessanteste – was das Lesen reizvoll macht, lässt sich am besten mit „der Weg ist das Ziel“ umschreiben. Nur klingen solche auf Kalenderspruch-Niveau eingedampften asiatischen Weisheiten nach der Lektüre von „Berlin Fidschitown“ unendlich peinlich.

STEPHANIE GRIMM

Detlef B. Blettenberg: „Berlin Fidschitown“. Pendragon Verlag, 344 Seiten, 22 Euro