Den Rechten eine kleben

Kein Versuch, das Problem zuzukleistern: Mit mehr als 300 Plakaten will die Beratungsstelle „reach out“ die Bevölkerung gegen rechte Gewalt und Pöbeleien in öffentlichen Verkehrsmitteln aufrütteln

von RUDI NOVOTNY

Mehr als 300 Plakate sollen die Berliner in Zukunft dazu motivieren, gegen Angriffe von rechts vorzugehen. Sie hängen in Bahnhöfen, S- und U-Bahnen. Abgebildet ist ein junger Mann, der am Bahnsteig steht, über ihm ein weißer Schriftzug: „Handeln? Bei rechten, rassistischen und antisemitischen Angriffen“ Initiator der Aktion ist „reach out“. Die im Sommer 2001 gegründete Berliner Initiative betreut unter anderem Opfer rassisitischer Gewalt.

Sabine Seyb, eine von fünf fest angestellten „reach out“-Mitarbeitern, beschreibt die Plakataktion als eine Konsequenz aus ihrer täglichen Arbeit: „Immer öfter kommen Leute zu uns, die in öffentlichen Verkehrsmitteln zu Opfern rassistischer und antisemitischer Attacken wurden.“ Mit den Plakaten soll „der gesellschaftliche Rahmen verändert werden“. Seyb: „Die, die wegsehen, sollen darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie eingreifen müssen.“ Eine Ansicht, die sie mit der Vorsitzenden der „Antonio Amadeu Stiftung“, Anetta Kahane, teilt. Die Stiftung gehört zum Unterstützerkreis der Plakataktion. Kahane ist zwar der Meinung, dass „ein Plakat allein Attacken nicht verhindern kann“, sie hält die Aktion aber „im Verbund mit anderen Maßnahmen wie der Opferberatung und der ‚Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus‘ für sinnvoll“.

Wieso es gerade in Bahnhöfen, S- und U-Bahnen so häufig zu rassistischen Angriffen kommt, erläuterte Timm Köhler von der „Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus“, die die Aktion auch unterstützt: „Das sind Orte, an denen die Polizei und politische Institutionen nicht richtig wirksam werden können.“ Einerseits, so Köhler, „kann die Polizei da nicht überall gleichzeitig kontrollieren“, andererseits „erfüllen die Attacken oft nicht den Straftatbestand“. Ein Beispiel seien Pöbeleien. Strafrechtlich schwer zu verfolgen, hätten sie für die Opfer trotzdem eine traumatisierende Wirkung.

Narcisse Dovenon hat rechte Gewalt selbst erfahren. Der farbige Student aus Benin nahm auf Einladung von „reach out“ an der Plakatpräsentation teil. Vor einem Jahr schlugen ihn auf dem Weg zur Arbeit ein paar Jugendliche zusammen. Obwohl mehrere Passanten den Überfall mitbekamen, musste er selbst die Polizei anrufen. Dovenon hatte innere Blutungen und musste für zwei Wochen ins Krankenhaus. Von „reach out“ bekam er danach psychologische Hilfe vermittelt. Das Plakat findet er gut : „Vielleicht bringt es den einen oder anderen dazu, im Notfall auch mal zu helfen.“

Aber auch wenn das Plakat den erhofften Erfolg bringt – die Frage, die Dovenon seit dem Überfall quält, wird ihn nicht mehr loslassen:„Wie kann man nur so gehasst werden, dass man keine Unterstützung bekommt, wenn man angegriffen wird?“