Ambivalenz und Selbstbehauptung

Afrika im NRW-Fokus: Neben dem Remix im Kunstpalast Düsseldorf zeigt jetzt auch das Bochumer Museum eine Kunstschau aus Südafrika. Im Herbst folgt im Museum Goch die Einzel-Ausstellung von Mbongeni Richman Buthelezi

Langsam windet sich der Lurch aus dem Mund der nackten Göttin, die nachts über die Dächer einer glitzernden Metropole kriecht, die nicht mehr ihre zu sein scheint. Die blinkenden Lichter, der düstere graue Hintergrund wirken bedrohlich. Zwei Videobeamer werfen das Video The Calling von Minette Vári aus Johannesburg auf die weiße Wand in einem kleinen Raum im Museum Bochum. Ledernes Zügel- und Zaumgeschirr liegt auf einem Haufen, an der Wand lehnt ein steinernes Relikt. Für eine afrikanische Künstlerin wenig haptische Momente – auf den ersten Blick.

Zehn Jahre nach dem Ende der Apartheid gibt das Museum mit New Identities einen Einblick in die aktuelle Kunstszene Südafrikas. Synergie-Effekte mit der kontinentalen Afrika Remix-Präsentation im Museum Kunstpalast in Düsseldorf zahlen sich halt aus und Doppelungen gibt es nur zufällig bei einer Arbeit des dokumenta-Teilnehmers William Kendrigde. Kein Problem, die räumliche Konzentration auf ein Land des schwarzen Kontinents erleichtert die visuelle Einordnung dafür um so mehr, die künstlerischen Strukturen der Ausstellung sind stringenter, der Bezug des Betrachters zu den 15 südafrikanischen KünstlerInnen hat mehr Tiefe – anders als im Remix-Chaos in der Landeshauptstadt.

Neue Urbanität, Multikultur und das alles beherrschende Thema Aids gliedern die Präsentation, in der internationale KünstlerInnenstars neben weniger bekannten ausstellen. Dort haben auch traditionelle künstlerische Ausdrucksformen, wie die Ndebele-Wandmalereien von Esther Mahlangu oder die Stickbilder der Rossina Maepa ihren Platz – zu Recht. Nur so können die Ausstellungsmacher um den ziemlich erschöpft wirkenden Museumschef Hans Günter Golinski einer wuseligen zeitgenössischen Kunstszene gerecht werden, die die spezifische Vitalität Südafrikas charakterisiert. Und selbst dafür wird ein mittelgroßes, kommunales Kunstinstitut bereits ziemlich eng, bei der Eröffnung wurde es erfreulicherweise fast klaustrophobisch.

Zeitgenössische Kunst aus Afrika hat nichts mit Folklore zu schaffen. Selbst in dem kleinen Shop neben dem Eingang drängt sich ein Gedanke gegen die Aussage nicht auf. Die meisten KünstlerInnen machen Kunst, die sich vor dem Westen nicht fürchten muss, auch wenn es nicht alle in den internationalen Kunstmarkt schaffen können. Auffällig sind neben Minette Vári noch viele installierte Videoarbeiten vorhanden. Besonders viele Besucher blieben lange in den zwei abgeteilten Räumen von Berni Searle stehen. Ihre Arbeit Snow White, mit der sie bereits 2001 auf der 49. Biennale von Venedig viel Aufmerksamkeit erregte, ist ein Zusammenspiel von Video-Projektion und Polaroid-Fotografie. So sei ihre künstlerische Identität immer abhängig von einer kulturell etablierten Geschlechtsbeschreibung, sagte sie in einem Interview. Und so knetet sie nackt, mit Mehl bestäubt, Teig in Form einer rituellen Handlung. Oder sie schreitet nachts in ihrer jüngsten Arbeit Vapour durch 25 in geometrischen Reihen aufgestellte große Kochtöpfe auf lodernden Flammen, die sie in einem der Townships bei Kapstadt installiert hatte. So kreuzen sich in beiden Arbeiten afrikanische Ambivalenz und zeitgenössische Selbstbehauptung in einer Welt, die selbst bedrohlich wirkt.

Die in England geborene Sue Williamson stellt sich mit den Mitteln der Dokumentarfotografie den sozialen und politischen Fragen ihres Landes. Die Serie From the Inside thematisiert plain-air die in Afrika allgegenwärtige Aids-Katastrophe, Better Lives inszeniert im Studio die Diskrepanz zwischen der Armut und dem angebotenen Konsumgütern. Kein glückliches Gesicht macht die kleine Nitshema auf dem Foto neben ihrer Mutter, während hinter ihr Cassiem‘s Cooldrinks mit Coca-Cola wirbt. Die Kinder Afrikas sehen eben einer unsicheren Zukunft entgegen. PETER ORTMANN

Bis 7. November 2004