Arbeitsagenturen noch fast arbeitslos

Nur wenige ArbeitslosenhilfeempfängerInnen haben ihren Antrag auf Arbeitslosengeld (ALG) II abgegeben. Druck auf die Arbeitslosen soll befürchtetes Chaos zum Jahresende verhindern. Gewerkschaften warnen vor Panikmache

RUHR taz ■ Den Arbeitsagenturen in NRW droht im Zuge der Hartz-Reformen ein Chaos zum Jahresende. Der Grund: Die meisten jetzigen ArbeitslosenhilfeempfängerInnen lassen sich bis dato noch Zeit beim Ausfüllen der 16-seitigen Anträge auf Arbeitslosengeld (ALG) II. Dadurch gerät der Zeitplan der Agenturen durcheinander.

„So wie der Rücklauf der Anträge momentan läuft, fahren wir mit Vollgas vor die Wand“, sagt die Sprecherin der Arbeitsagentur Dortmund, Daniela Karlic. Im Agenturbezirk sind bislang erst 286 vollständige Anträge auf ALG II eingegangen, obwohl seit dem 19. Juli bereits 8.306 ArbeitslosenhilfeempfängerInnen einen Vordruck erhalten haben. Die Agentur liegt damit bereits zwei Wochen nach Beginn der Bearbeitungsphase 800 bis 900 Fälle unter dem Soll, die meisten der 53 eigens für die Antragsbearbeitung eingestellten Hilfskräfte sind weitestgehend unterbeschäftigt. Für den Spätherbst drohe hingegen eine Überforderung der Agentur – schließlich müssen bis Jahresende rund 28.600 Anträge bearbeitet werden. Ähnliches gilt auch für den Agenturbezirk Essen: „Auch wir hätten uns einige hundert Antragseingänge mehr gewünscht“, sagt Ulrike Westkamp, die operative Geschäftsführerin für den Bereich ALG II.

Den Grund für den zögerlichen Eingang der Anträge sehen die Arbeitsagenturen in der durch Medienberichte verursachten Verunsicherung der Arbeitssuchenden. „In der Öffentlichkeit ist Einiges unverständlich oder verfälscht dargestellt worden“, sagt Udo Dalka, Projektveranwortlicher für ALG II der Dortmunder Arbeitsagentur. So seien Arbeitslose durch die Umstellung entgegen der verbreiteten Meinung bei der Anrechnung von Vermögen sogar „geringfügig besser gestellt“ als vorher. Auch sei das Ausfüllen des Antrags längst nicht so kompliziert, wie behauptet: „Unsere Kunden kennen das doch schon meistens von der Arbeitslosenhilfe“, sagt Dalka.

Die Dortmunder Arbeitsagentur will nun verstärkt auf ihre „Kunden“ zugehen. ArbeitslosenhilfeempfängerInnen werden nun telefonisch und schriftlich dazu aufgefordert, ihre Anträge schnellstmöglich einzureichen. Dabei scheut man sich nicht, Druck auszuüben: „Im schlimmsten Fall bekämen die Arbeitslosen im kommenden Jahr nicht ihre vollständige Leistung ausgezahlt“, droht die Agentur in einer Pressemitteilung. Sprecherin Karlic legt nach: „Wer seinen Antrag vier Monate lang unbearbeitet liegen lässt, lebt im Elfenbeinturm.“

Was die Arbeitsagenturen in ihrer Not bei ihrer Drohkulisse vergessen: ArbeitslosenhilfeempfängerInnen können sich rechtlich durchaus noch bis Anfang Dezember Zeit lassen, ihre Anträge einzureichen. Deshalb wehren sich Arbeitsloseninitiativen auch gegen Panikmache: Man solle vor allem Ruhe bewahren und beim Ausfüllen der Anträge nicht in Hektik verfallen, rät die Wuppertaler Initiative Tacheles e.V. Auch der Vorsitzende des nordrhein-westfälischen DGB, Walter Haas, mahnt zur Ruhe: „Die Antragssteller müssen sich die Zeit nehmen können, ihre Dinge so zu regeln, dass sie die Leistungen auch erhalten, die ihnen zustehen“, sagt er. So brauchten die Arbeitslosen Zeit, um bei ihren Versicherern Verwertungsauschlüsse für Lebensversicherungen auszuhandeln, die andernfalls bei der Bemessung des ALG II gekündigt werden müssten.

Kaum Notiz vom drohenden Chaos in den Arbeitsagenturen nimmt übrigens das Düsseldorfer Arbeitsministerium: Die Probleme seien Sachen der Agenturen, teilte ein Sprecher lapidar mit. KLAUS JANSEN