Wenn die „Waschweiber“ tratschen

Mediale Welten: Algeriens Präsident und sein Widersacher tragen ihre Machtkämpfe auf dem Rücken der Medien aus. Gegenwärtig ist die freie Presse im nordafrikanischen Land wieder lahm gelegt – durch „vorgeschobene finanzielle Gründe“

aus Madrid REINER WANDLER

Der Trick ist ganz einfach. Sobald Algeriens Machthabern die Presse zu unbequem wird, stornieren die staatlichen Druckereien die Aufträge. Als Grund müssen dann immer die Schulden der privaten, unabhängigen Presse herhalten. So geschah es zuletzt am 18. August.

Sechs Zeitungen, El Khabar, Liberté, Er-Rai, Le Matin, Le Soir und L’Expression, mussten mangels Druckerei schließen. „Vorgeschobene finanzielle Gründe“, beschweren sich die Verleger in einem gemeinsamen Kommuniqué. Sie glauben vielmehr, dass der Grund für die drastische Maßnahme in einer Serie von Skandalen zu suchen ist, die die unabhängige Presse den Sommer über aufdeckte. So war zu lesen, dass der heutige Innenminister Yazid Zerhouni 1970 einen Apotheker verhaften und foltern ließ und sich danach dessen Büro unter den Nagel riss. Doch was für die größte Aufregung sorgte, waren mehrere Titelstorys von El Khabar, Liberté und Le Matin Mitte August.

„Der Präsident greift in die Staatskasse“ und „Alles Diebe?“ war da zu lesen. Die Zeitungen veröffentlichten eine lange Liste darüber, wer sich was widerrechtlich angeeignet hat. Präsident Abdelasis Bouteflika soll demnach einige Villen am algerischen Strand und eine teure Wohnung im Zentrum von Paris aus Staatseigentum finanziert haben.

Aus dem Präsidentenpalast kam keine Antwort auf diese Anschuldigungen. „Aus Respekt vor der Pressefreiheit“, hieß es, während gleichzeitig die Staatsdruckereien angehalten wurden, ihre Schulden einzutreiben.

Am schlimmsten hat es Le Matin erwischt. Zwar erscheint das Blatt wieder, doch wurde letzte Woche ihr Direktor Mohamed Benchicou auf dem Flughafen verhaftet. Zwei Bankbelege über insgesamt 80.000 Euro sollen als Beweis für illegale Devisengeschäfte herhalten. Benchicou muss sich allwöchentlich auf dem Polizeirevier melden.

„Bouteflika und sein Clan sind wegen der bevorstehenden Wahlen 2004 in Panik geraten“, erklärt sich der Herausgeber von Le Soir, Fouad Boughanem, die Repression gegen die freie Presse.

Er und seine Kollegen sind ganz offensichtlich zwischen die Fronten des Machtkampfes geraten: Erstmals in der Geschichte des freien Algeriens kann sich der übermächtige Militärapparat nicht auf einen einzigen Präsidentschaftskandidaten einigen. Neben Bouteflika, der sich zur Wiederwahl stellt, will auch der Vorsitzende der ehemaligen Einheitspartei FLN, Ali Benflis, kandidieren. Benflis kann auf die Mehrheit der Parteibasis setzen. In der Armee sind die Mehrheitsverhältnisse unklar. Doch diejenigen, die hinter ihm stehen, füttern seit geraumer Zeit die freie Presse mit Informationen über Bouteflikas dunkle Seiten.

Den Vorwurf, sich zum Instrument für einen Clan gemacht zu haben, weisen die Herausgeber der freien Zeitungen dennoch weit von sich: „Wir haben noch nie einen Hehl aus unserer feindlichen Einstellung gegenüber dem Bouteflika-Clan gemacht.“ Das Gleiche gilt auch für den Staatspräsidenten und die freie Presse. Noch während des Wahlkampfes vor über vier Jahren beschimpfte Bouteflika, der einst Außenminister zu Zeiten des Einheitssystems war, die unabhängigen Journalisten als „Waschweiber“. Und wenn die Waschweiber mehr als tratschen, greift er zu härteren Mitteln.