■ Auch taz-LeserInnen nehmen dieses Urteil nicht hin: Kaiser’s verliert durch den Prozess
: „Was für ein reaktionäres Urteil“

betr.: „Kündigung wegen 1,30 Euro rechtens“, taz vom 25. 2. 09

Was für ein reaktionäres Urteil! Nur weil die ganz herrschende Meinung seit 1984 buchstabengetreu das Recht auslegt, muss man die Prinzipienreiterei doch nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag fortführen. Schon Paulus sagte: „Der Buchstabe tötet, der Geist macht lebendig.“ Daher steht ja auch in § 133 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): „Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.“ Was für Willenserklärungen gilt, gilt für alles: für den Sinn von Gesetzen und unser gesamtes Rechtssystem.

Gerade im Arbeitsrecht gebietet der rechtsstaatliche und demokratische Sinn eine vernünftige und mindestens dem gesunden Menschenverstand entsprechende Abwägung der Interessen. Da ist es geradezu absurd, eine schwache Kassiererin aus Gründen des Prinzips (Fundamentalismus!) im Vergleich mit einem starken Arbeitgeber (Kaiser’s) schutzunwürdiger einzuschätzen: Nur einmal erwischt! Wegen 1,30 Euro! Trotz 31 Jahren Arbeitsverhältnis! Trotz der altersbedingten künftigen Vermittlungsschwierigkeit auf dem Arbeitsmarkt! Ohne „Bewährungschance“!

Das Recht, die Sitte und die Moral sind immer nur Mittel zum Zweck, menschliches Zusammenleben menschlich zu gestalten. Wenn diese Mittel zum Selbstzweck werden, dann kommen solch unmenschliche Urteile und Folgen dabei heraus.

HANNES KÜPERS, Werne