Die Stadt hat die Löcher, die sie verdient

Gebaut wird in Köln traditionell ohne Wettbewerb. Daran konnte die schwarz-grüne Koalition kaum etwas ändern. Teil I der taz-Serie zur Kommunalwahl

Von Sebastian Sedlmayr

Mal ehrlich: Wenn Sie vom Kölner Hauptbahnhof das Rheinufer entlang nach Norden laufen, umfahren von Inlineskatern, den Dom im Rücken, die Seilbahn vor der Nase, fühlen Sie sich dann unwohl, weil Sie dieses Stück Köln besonders hässlich finden? Nein? Ist es dann nicht seltsam, dass gerade diese erträgliche und vielgenutzte Provinzidylle der Fleck auf der Kölner Landkarte ist, den die grüne Fraktionschefin Barbara Moritz zuallererst verändern möchte, wenn sie denn nach der Kommunalwahl Teil einer gestaltenden Mehrheit im Kölner Rat wird (siehe Interview auf dieser Seite)?

Wie die Kölner Stadtentwicklungspolitik seit Jahrzehnten funktioniert, ist kein Geheimnis, aber doch weitgehend Sache einer Geheimgesellschaft. Beteiligt sind in der Regel Arrangeure wie die Esch-Oppenheim-Holding und die diversen Anleger ihrer Immobilienfonds, die teils identisch sind mit den Repräsentanten von Industrie- und Handelskammer, Bankhäusern und Lokalpresse, die das Aussehen der Stadt machtvoll prägen.

Aber auch stadtnahe Gesellschaften wie die Häfen und Güterverkehr AG (HGK) arbeiten nach einem ähnlichen Muster, in dem Rendite viel, Bürgerwille oder gar qualitativ hochwertige Architektur dagegen wenig zählt. Prominentes Beispiel ist das Projekt „Wohnen am Strom“ am Mülheimer Hafen. Trotz massiver Proteste selbst von Seiten des NRW-Umweltministeriums hält die HGK eisern an ihrem Projekt fest. Rund 100 Luxuswohnungen will sie dort bauen – Bürgerbeteiligung hin, Hochwasserschutz her. Und weder die Stadtverwaltung noch der Rat stoppt die HGK.

Die Geschlossenheit dieses echten kölschen Klüngels ist vermutlich auch der tiefere Grund dafür, dass die Grünen sich solche Nischen wie die Rheinpromenade zwischen Dom und Zoo suchen. Eine Außengastronomie an der Bastei, ein paar schöne Hortensien, eine neue Bank, und mit wenig Geld und Aufwand ist publikumswirksam ein Stück Rheinufer erneuert, während ein paar hundert Meter weiter südlich die großen Brocken verschoben werden. Da wächst ein 103,5 Meter hoher LVR-Turm in den Himmel, den die Grünen nicht wollten, dem sie aber mit Rücksicht auf den Koalitionsfrieden doch zustimmten. Da spekulieren Privatunternehmer schon auf eine Oper am Breslauer Platz, die sie im Tausch für ein Filetstück errichten könnten, nämlich für den jetzigen Standort der Oper auf dem Offenbachplatz. Dass die störende Nord-Süd-Fahrt an dieser Stelle tiefer gelegt werden soll, um die „Schneise durch die Innenstadt zu schließen“, steht schon im Wahlprogramm der CDU.

Allzu oft sind es informelle Absprachen aus zurückliegenden Legislaturperioden, die zu unbefriedigenden Ergebnissen im Stadtbild führen. Schwarz-Grün war angetreten, mehr Transparenz ins Kölner Baugeschäft zu bringen. Investoren von außerhalb sollten mehr Planungssicherheit bekommen – durch Rahmenkonzepte und vermehrt öffentliche Ausschreibungen. Doch CDU und Grüne im Rat haben es bislang nicht vermocht, die alten Strukturen aufzubrechen. Das Muster ist geblieben: Unliebsames wird abgerissen, ohne dass klar ist, wann an der Stelle Neues entstehen soll. So war es nicht nur beim Rheinauhafen, dessen Kranhäuser nach russischem Vorbild offenbar erst nach der nächsten sozialistischen Revolution realisiert werden können. So ist es auch neben der Messe, wo die letzten Wohnhäuser bald fallen sollen, obwohl keineswegs klar ist, dass dem ersten rechtsrheinischen Hochhaus, dem LVR-Turm, noch weitere folgen werden.

Solche Brachen, solche Löcher übersäen die Stadt. Und sie generieren jedes für sich einen unnötigen zeitlichen und finanziellen Druck. Plötzlich ist ein alter Bekannter zur Stelle, springt in der selbst verschuldeten Misere in die Bresche. „Lass mal, Klein Hänneschen macht das schon“, heißt es dann und – abrakadabra – steht ein neues Hochhaus. Ohne Ausschreibung, ohne Wettbewerb werden banale Bauten hochgezogen wie im tragischen Fall der Kölnmesse, die nun mit dekorierten Kisten gegen elegante Schönheiten wie die Leipziger oder die Frankfurter Messe konkurrieren muss.

Nimmt man die spektakulärsten städtebaulichen Ereignisse der letzten anderthalb Jahre in den Fokus, sieht man allenthalben Pleiten und Pannen. Die Genehmigung des LVR-Turms hat dem Dom einen Platz auf der Roten Liste der Unesco beschert. Das „Loch“ am Neumarkt zieht zurecht Spott auf sich. Für das kommende Gerangel um die Oper beziehungsweise den Offenbachplatz als Baugrund ist keine Besserung zu erwarten.

Doch in den etwas stilleren Regionen Kölns flackert zaghaft Hoffnung auf. Die CDU will die Rahmenplanung Braunsfeld/Müngersdorf/Ehrenfeld zum Vorbild erheben und „eine aktive Bürgerbeteiligung ermöglichen“. Die Grünen wollen die Stadt dazu bringen, mehr öffentliche Aufträge auszuschreiben, und selbst die SPD will „Transparenz und Qualität“ in der Stadtentwicklung. Bleibt nur zu hoffen, dass sich nach der Wahl nicht wieder dieselben einig sind.