: Orang Utans weinen wieder
Während in Deutschland ein echter Teak-Tick grassiert, versuchen Umweltschützer Möbel-Händler zum Verkauf von FSC-zertifiziertem Holz zu überreden. Das ist nicht immer einfach. Ein Besuch im Einzelhandel
Aus HannoverKai Schöneberg
Einer dieser schmucken Läden in einer der schmuckeren Einkaufsstraßen in Hannover. Kunden, die an diesem tropenschwülen Tag fragen, wie das mit der political correctness der im Laden angebotenen Teak-Tische sei, belehrt die Verkäuferin: Alles ok, aus bestem Javanesischem Holz sei das ab 685 Euro teure Stück gefertigt, natürlich könne sie das per Zertifikat belegen. „Zertifiziertes Plantagenteak“ steht auch auf den Preisschildern. Nur: Was für ein Zertifikat das ist, kann die Dame nicht sagen. Erst recht wird sie unwirsch, als sich der neugierige Kunde als Reporter entpuppt: „Verlassen Sie meinen Laden: Hausverbot!“
Dietmar Kunze war schon öfter in diesem Laden. Auf sein Drängen hin hat ihm der Geschäftsführer ein angebliches Zertifikat des von Baumschützern aktzeptierten Forest Stewardship Council (FSC) geschickt. Kunze sieht darin nichts als eine „arglistige Täuschung“. Der Grund: „Aus dem Schreiben geht nicht hervor, dass es in Zusammenhang mit diesem Geschäft steht“. Auch fehlt die vom FSC verteilte Prüfnummer auf den Möbeln im Laden. Der Kunde wird getäuscht.
„Zertifikate, die das Papier nicht wert sind, und Personal, das nicht korrekt informiert, gibt es serienmäßig“, sagt Jens Wieting, Tropenholz-Referent von Robin Wood. Deshalb versuchen die Baumschützer seit Jahren, Firmen vom Handel mit nicht FSC-zertifiziertem Holz abzubringen. Die Baumärkte Praktiker und Obi, der Otto-Versand, Ikea oder Edeka haben schon eingelenkt. Vor kurzem erklärte sich Aldi Nord bereit, beim Einkauf von Tropenholz-Möbeln wenigstens auf Nachhaltigkeit zu achten. Zuvor soll der Discounter-Koloss Gartenmöbel aus indonesischem Merantiholz angeboten und Käufer mit dem Slogan „aus staatlich kontrollierter Forstwirtschaft“ geködert haben.
„Die Sache mit Rossmann war auch ein Erfolg von mir“, sagt Dietmar Kunze. Die Drogerie-Kette sicherte ihm vor wenigen Wochen schriftlich zu, ihre „Teakholz-Gartenmöbel aus dem Handel zu nehmen“. Nur ein Teilerfolg: Inzwischen gibt’s bei Rossmann Online zwei Klappstühle samt Balkontisch aus dem äußerst seltenen Balauholz für 199 Euro – ohne Hinweis auf das FSC-Siegel. Kunze will dem „sofort nachgehen“.
Der Weltverbesserer hält sich selbst für einen „interessierten Kunden“, aber eigentlich ist er wohl das, was man einen „Aktivisten“ nennen könnte. Der Student der Sozialwissenschaften ist einer von etwa 30 Ehrenamtlichen von Robin Wood in Deutschland. Weil Anschreiben mit dem Titel „Initiative für gerechte und ökologische Weltwirtschaft (IGÖW)“ offizieller klingen, hat der 24-Jährige in den letzten Monaten mehrere Briefe an Einzelhändler wie dickere Fische im Tropenholz-Business in und um Hannover verschickt. „Stellen Sie den Verkauf von diesem Raubbau-Holz ein !“ heißt es dort. Und, dass das IGÖW „mit Bedauern und Zorn feststellen“ muss, dass auch „Sie sich in die Negativliste der Anbieter von Hartholz aus tropischen Wäldern einreihen“.
Während weltweit pro Minute 6.000 Bäume gefällt werden und Robin Wood behauptet, allein in Indonesien würden 70 Prozent aller Hölzer illegal gerodet, wird die erste Welt derzeit von Edelhölzern überschwemmt. Der Verband des deutschen Möbelfachhandels sieht einen „Teak-Tick nicht geahnten Ausmaßes“ – zum Nachteil des Tropenwaldes, mit allen sozialen und ökologischen Folgen.
Noch in den 80er Jahren waren Edelhölzer aus Fernost oder Brasilien als Etepete-Möbel von Golfern und Porschefahrern verschrien. „Wenn nur ein Holzspan aus Amazonien in einem Baumarkt gefunden wurde, trafen sich am nächsten Tag Robin Wood, WWF und Greenpeace auf dem Baumarktdach und rollten Bettlaken aus, bemalt mit weinenden Bäumen und Orang-Utans“, schrieb die Zeit.
Nun wird das Hartholz nach Fichte und Kiefer zum Gemeinmöbel deutscher Stuben. Dabei ist es heute kaum weniger korrekt als damals, auch wenn es angeblich zu „100 Prozent aus Plantagen“ stammt. Kunden können sich oft schon an den Preisen orientieren. „Ich habe Teak-Stühle für 15 Euro gesehen“, sagt Holzschützer Kunze. „Da steht fest, dass irgendwas nicht stimmt“.
„Die Großen müssen anfangen, ich bin doch nur ein Vierteltropfen im Meer“, sagt die Besitzerin eines anderen Möbelladens in Hannover, der Sheshun-Tische und Teak-Vitrinen im Angebot hat. Natürlich hat auch sie Gütesiegel, die belegen sollen, dass mit ihrem Holz alles in Ordnung ist. „Aber glauben tu ich das nicht, die Zertfikate kann doch jeder ausstellen“, sagt die Frau, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. Kunze kann sie immerhin überreden, sich eine FSC-Broschüre durchzulesen. Weil: „Es lohnt sich, im Kleinen anzufangen“.
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