Alle büffeln das Gleiche

Bildungssenatorin Dinges-Dierig gibt Ausblick ins neue Schuljahr: erstmals zentrale Abschlussprüfungen für Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien. Noch kein Konzept für Sprachförderung. Hauptschulabschluss künftig auch ohne Englisch

Von KAIJA KUTTER

Der Themenwald im Bildungsbereich ist so dicht, dass Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (parteilos) gestern keine Mühe hatte, einen anderhtalbstündigen Ausblick auf das neue Schuljahr zu geben, ohne die Probleme der vollen Klassen, fehlenden Kantinen oder verzögerten Bausanierungen auch nur zu streifen. Es liegt denn auch tatsächlich jenseits des Ressourcenstreits Gravierendes an.

Zentralprüfungen: Erstmals wird es am Ende dieses Schuljahres zentral vorgegebene Abschlussprüfungen für Gymnasiasten, Realschüler und Hauptschüler geben. Die Abiturienten des Jahrgangs 13 werden zunächst nur in den zehn Fächern Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Latein, Gemeinschaftskunde, Mathematik, Biologie sowie Wirtschaft und Technik nach einheitlichen Aufgaben geprüft. Im folgenden Schuljahr 2005/06 wird dieses auf alle Fächer ausgeweitet. Die Aufgaben seien „von Lehrkräften aus der Praxis gemacht“, so Dinges-Dierig. Um noch mehr Objektivität bei der Bewertung zu erlangen, wird jede Arbeit nach der Erstkorrektur anonymisiert an einen Korrektor einer anderen Schule übergeben.

Haupt- und Realschüler werden nach Klasse 9 beziehungsweise 10 nur in den Fächern Deutsch, Mathe und Englisch geprüft. Hier gibt es vor allem von Hauptschullehrern kritische Stimmen. Sie fürchten, dass ohne vorherige verbesserte Förderung noch mehr Schüler am Abschluss scheitern, wenn die Messlatte zentral vorgegeben wird. Insbesondere mit dem Fach Englisch gebe es Schwierigkeiten, räumte Dinges-Dierig ein und nannte es eine „Herausforderung für den Lehrer“, seine Schüler dennoch zum Abschluss zu bringen. Für Migrantenkinder, die kürzer als drei Jahre hier leben, gebe es die Möglichkeit einer ersatzweisen Prüfung in ihrer Herkunftssprache.

Hauptschüler der Zukunft: Die Senatorin erklärte, sie würde mit den Zentralprüfungen zunächst noch die Planungen ihrer Vorgänger umsetzen, denn eigentlich würden diese nicht der „Mentalität eines Hauptschülers“ entsprechen. Langfristig sollten diese deshalb mit neuen Formen der „projektbezogenen Präsentationen“ ergänzt werden.

Bereits für das Schuljahr 2005/06 ist unter dem Motto „Hauptschüler der Zukunft“ eine Aufsplittung des Abschlusses in drei Wege aufgeteilt. Neben dem normalen Abschluss mit Englisch, der den Zugang zu höheren Bildungsabschlüssen offen lässt, soll es einen zweiten ohne Englisch geben, der dazu nicht berechtigt. Dinges-Dierig: „Man kann auch ohne Englisch in Berufe gehen.“ Schüler, bei denen sich in Klasse acht der Misserfolg abzeichnet, sollen einer „Stärken- und Schwächen-Analyse“ unterzogen werden und „eine ganz andere Art von neuntem Schuljahr bekommen“, das mit Modulen der Berufsvorbereitung verknüpft wird.

Berufsvorbereitungsjahr (BVJ): Vollkommen umkrempeln will Dinges-Dierig das derzeit von mehr als 3.000 Schülern besuchte einjährige BVJ für Schüler ohne Ausbildungsplatz. Da diese Maßnahne nicht greife, so die Senatorin, solle zu Beginn eine Analyse des Schülers erfolgen, um anschließend in sechs oder zwölfwöchigen „Modulen“, die auch auf die Ausbildung angerechnet werden können, gezielt zu fördern. Allerdings ist diese Konzept noch in Planung.

Sprachförderung: Nebulös sind Dinges-Dierigs Vorstellungen für ein neues Sprachförderkonzept. Sie bedauerte, dass es in keinem Land ein Instrument gäbe, um den Erfolg der bestehden Fördermaßnahmen zu messen, den sie anzweifle. Eine interne Arbeitsgruppe soll nun frühestens im Januar ein Konzept vorstellen. Die Kürzung um 20 Prozent zu diesem Schuljahr soll langfristig bestehen bleiben.

Eigenständige Schule: Bereits in diesem Schuljahr machen 18 Schulen beim Projekt „selbstverwaltete Schule“ mit. Schon im darauffolgenden Jahr will Dinges-Dierig damit „in die Fläche gehen“. Dies sei „Neuland“ für die Schulen, so die Senatorin. Die Schulen und auch der einzelne Lehrer sollten sich selbst Ziele setzen: „Und sei es das Ziel, am Ende des Jahres hat keiner meiner Schüler mehr eine Fünf“.

Rechtschreibung: Enttäuscht zeigte sich Dinges-Dierig von der gestrigen Ankündigung einiger Verlage, zur alten Rechtschreibung zurückzukehren. Studien zeigten, dass mit der neuen Form die Fehlerquote bei Schülern sinke. „Wenn die Verlage das machen, sollen die das auch den Kindern erklären.“