Bombenstimmung an den Seen

Munitionsfunde legen den Badebetrieb am Müggelsee lahm. Doch auch in den anderen Seen in und um Berlin schwimmt man inmitten explosiven Kriegsschrotts

Sieben weitere Bomben und eine Panzergranate müssen noch gehoben und entschärft werden. Am Müggelsee im Berliner Südosten herrscht seit 14 Tagen Bombenstimmung. Erst vor drei Tagen hatten zwei Sporttaucher in nur 2,50 Meter Tiefe sogar eine 50-Kilo-Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt. Badegäste, Taucher und Sportboote sind daher bis auf weiteres im Nordteil des Sees unerwünscht.

Keinswegs handelt es sich bei der Munition um harmlosen nassen Schrott. Vielmehr konserviert der Schlamm die Bomben, sodass viele noch funktionsfähig sind oder gar durch Rostlöcher lecken. Unklar ist, wie viel Munition noch im Schlamm verborgen ist und wie es auf dem Grund der übrigen Berliner und Brandenburger Seen aussieht.

Schätzungsweise knapp 470.000 Tonnen Sprengmaterial gingen insgesamt im Zweiten Weltkrieg über Berlin nieder, 5 bis 15 Prozent davon blieben als Blindgänger liegen. Seit 1948 wurden rund 10.000 Blindgänger im Stadtgebiet geborgen, wie viele es heute noch sind, darüber gibt es keine Angaben. In den ersten Nachkriegsjahren, bis Ender der 40er-Jahre, mussten die BewohnerInnen Munitionsfunde bei den Besatzungsmächten abliefern. Unter deren Aufsicht wurden die Funde im Müggelsee und im Tegeler See versenkt.

Jürgen Wittkamp, Gruppenleiter des Kampfmittelräumdienstes der Senatsverwaltung, kann sich aber auch vorstellen, dass es „bei den Angriffen auf Köpenick öfters passiert ist, dass Munition zu früh oder zu spät ausgelöst wurde und dann im Müggelsee landete.“ Wie viele Bomben tatsächlich noch in den umliegenden Seen liegen, kann niemand genau sagen. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes Brandenburg hat eine Verdachtsflächenkarte erstellt, auf der alle Badeseen rot markiert sind, in denen alte Munition vermutet wird. Um welche Seen es sich dabei handelt, wird allerdings verschwiegen. „Wir wollen die Bevölkerung nicht unnötig beunruhigen“, sagt die Fachbereichsleiterin Heidrun Vathke der taz. Wer diese Geheimniskrämerei erst recht beunruhigend findet, sollte die Seen bis nächstes Frühjahr meiden, denn bis dahin sollen „alle Verdachtsflächen abgearbeitet“ sein.

In Berlin wurde der Rummelsburger See erst kürzlich gereinigt, erzählt Wittkamp. Der Schlachtensee und die Wilmersdorfer Seen seien ebenfalls geräumt. Ebenso Tegler See und die Havel, allerdings schon in den 50er- und 60er-Jahren mit der damals zur Verfügung stehenden Technik. Restbestände sind also nicht auszuschließen. Eine Komplettreinigung des Müggelsees „entspräche einem Zehnjahresprogramm und würde rund 50 Millionen Euro kosten“, schätzt Wittkamp. Zu teuer für das Berliner Wasser- und Schifffahrtsamt. Deshalb wird vorerst nur die Nordhälfte durchsucht.

MIRJAM DOLDERER