DER TÜRKISCHE PREMIER ERDOGAN TRIFFT MILLI GÖRÜS – ZU RECHT
: Hilfe für die moderaten Muslime

Wenn ein deutscher Minister nach Ankara kommt, trifft er sich dort neben seinen offiziellen Gesprächspartnern in aller Regel mit Vertretern des IHD, des wichtigsten Menschenrechtsvereins der Türkei. Damit hat er dann gezeigt, dass er auch den Dialog mit gesellschaftlichen Kräften sucht und sich für die Menschenrechte engagiert. Der türkische Ministerpräsident hat es da bei einem Besuch in Berlin wesentlich schwieriger. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Vereine und Nichtregierungsorganisationen, die den Mann aus Ankara treffen wollen. Sei es, um ihre Situation in Deutschland zu beklagen, sei es, um die Politik der türkischen Regierung gegenüber Minderheiten oder den Umgang mit Gefangenen anzuprangern.

Die meisten Regierungschefs würden versuchen, sich diese Wünsche und Ansprüche vom Hals zu halten, und mit Verweis auf ihre knappe Zeit irgendeinen Vertreter vorbeischicken. Nicht so Tayyip Erdogan. Er hörte sich die Klagen diverser türkischer Vereine an, er hat zugesagt, sich heute Nachmittag mit Vertretern von amnesty international, Pro Asyl und Pax Christi zusammenzusetzen, um sich ihre Kritik an fortdauernder Folter und unzureichenden Rechten für Minderheiten anzuhören. Und er hat sich bereits, wenn auch nur kurz und inoffiziell, mit Vertretern von Milli Görüs getroffen. Was soll’s?

Milli Görüs ist die größte Organisation türkischstämmiger Muslime in Deutschland. In ihr sind die verschiedensten Strömungen des politischen Islam vertreten, und es zeugt von wenig Weitsicht, sie allesamt zu irrlichternden Terroristen zu erklären, wie dies der bayrische Innenminister Beckstein und andere versuchen. Seit die AKP, also die jetzige Regierungspartei, sich von der früheren islamischen Partei Necmettin Erbakans abgespalten und die alte Erbakan-Truppe damit in die politische Bedeutungslosigkeit gestürzt hat, rumort es auch innerhalb von Milli Görüs. Wie in der Türkei beginnen die Moderaten sich von den Hardlinern zu distanzieren, ein Prozess, der für Erdogan natürlich von großem Interesse ist und für die Gesellschaft in Deutschland nur gut sein kann. Das Treffen mit Erdogan wird diesen Prozess beschleunigen. JÜRGEN GOTTSCHLICH