Schill-Partei und FDP zittern

Nach dem Schill-Rauswurf wählt Hamburgs Bürgerschaft heute einen neuen Innensenator. Vielleicht müssen die Hamburger aber auch am 9. November ein neues Landesparlament wählen. Denn eine Mehrheit des Mitte-rechts-Senats ist unsicher

Abweichler gab es immer – selbst bei der Installation des Schill-Senats 2001

aus Hamburg SVEN-MICHAEL VEIT

Letzte Reihe, hinten rechts, Sessel Nr. 81 – das ist der neue Amtssitz von Ronald Schill im Plenarsaal der Hamburger Bürgerschaft. Doch niemand weiß, ob er morgen dort Platz nehmen wird, wenn es darum geht, seinen Parteifreund Dirk Nockemann zu seinem Nachfolger als Innensenator zu wählen und damit den Fortbestand der Rechtskoalition in der Hansestadt zu sichern. Wobei das mit den Freundschaften nicht mehr so weit her ist: Seit seinem Erpressungsversuch gegen den Ersten Bürgermeister Ole von Beust (CDU) vor zwei Wochen ist der Rechtspopulist selbst in der eigenen Partei zur Persona non grata geworden.

Und dennoch gilt die Wahl Nockemanns nicht als gesichert. 64 zu 57 lautet das Mandatsverhältnis zwischen Regierungskoalition aus CDU, Schill-Partei und FDP gegenüber der rot-grünen Opposition. Und Abweichler gab es schon immer: Selbst bei der Installation des Beust-Schill-Lange-Senats am 30. Oktober 2001 fehlten diesem drei Stimmen aus dem eigenen Lager.

In zahlreichen Einzelgesprächen wurden in dieser Woche deshalb Abgeordnete der Schill-Partei und der CDU, die als Wackelkandidaten gelten, von ihren Fraktionschefs auf Linie eingeschworen. Denn wenn der Wahlakt schief geht, wird es Neuwahlen an der Elbe geben – voraussichtlich am 9. November.

Die hätten einzig die Grünen nicht zu fürchten, deren massive Verluste vor zwei Jahren ausschlaggebend für den rot-grünen Machtwechsel im Hamburger Rathaus waren. Umfragen zufolge liegen sie wieder in den gewohnten Höhen von 13 bis 16 Prozent, der logische Koalitionspartner SPD pendelt in der Mitte der 30-Prozent-Margen: Eine gemeinsame Mehrheit wäre möglich.

Von einer großen Koalition indes redet niemand: Zu sehr brennt die SPD darauf, ihre 44 Jahre währende Dauerherrschaft in Hamburg nach einem zweijährigen „Betriebsunfall“ fortzusetzen, als sie Juniorpartner Beusts werden wollte. Und der ließe sich selbstredend keinesfalls zum Stellvertreter eines Sozialdemokraten degradieren. Eine Neuauflage von Rot-Grün setzt jedoch voraus, dass der CDU die Partner abhanden kommen. Zwar liegt Beusts Hanse-Union in Umfragen an der 40-Prozent-Marke, doch die Fünf-Prozent-Partei FDP müsste ums Überleben bangen. Welch Schicksal aber einer Schill-Partei ohne Schill droht, ist vollkommen unvorhersehbar. Nur noch sechs Prozent – etwa ein Drittel der jetzigen Stärke – geben ihr Demoskopen. Nicht am eigenen Ast sägen, lautet deshalb die Mahnung an die unsicheren Kantonisten in den eigenen Reihen. Ob sie verfängt, wagt niemand zu prognostizieren. Genau darauf bauen die Sozialdemokraten, die schon wieder unruhig mit den Füßen scharren. Wenn Nockemann durchfällt, wird die SPD noch morgen Abend ihren Bürgermeister-Kandidaten küren. Und der wird, nach Lage der Dinge, nicht Landeschef und SPD-Generalsekretär Olaf Scholz sein, der sich bislang alle Optionen offen hielt. Thomas Mirow, ehemaliger Mehrfach-Senator und wohlgelitten bei der Wirtschaft, dürfte Beusts Herausforderer werden. Böse Zungen sagen dem geschliffenen Rhetoriker und brillanten Analysten nach, ein wenig langweilig zu sein, seine Anhänger preisen den 50-Jährigen als Ausbund an Seriosität.

Und das, so dünkt es Hamburgs Sozialdemokraten, sei eben das, wonach die Stadt sich sehne. Nach zwei Jahren Schill.