Zweifelhafte Größe

RW Essen verliert zum Auftakt mit 1:5 und Trainer Gelsdorf sorgt sich um seinen Torwart Robert Wulnikowski

ESSEN taz ■ Robert Wulnikowski ist ein groß gewachsener Mann. 1,92 Meter misst der Torwart von Rot-Weiss Essen – und sein Trainer Jürgen Gelsdorf hofft, dass das auch so bleibt. Ganz sicher kann er sich nicht sein. Mit 1:5 (0:4) hatte der Zweitligist am Samstag den Auftakt gegen Erzgebirge Aue überaus deutlich verloren, und viele kreideten dem Schlussmann bei den ersten drei Gegentoren eine Mitschuld an. „Wir müssen aufpassen, dass der Robert in den nächsten Tagen nicht auf 1,75 zusammenschrumpft“, sagte Gelsdorf. Nach so einer Klatsche sei das schließlich schon ganz anderen passiert.

Wulnikowski bemühte sich sofort nach Abpfiff um Entwarnung. „Ich fühle mich immer noch wie mit 1,92. Daran ändert sich auch nichts“, meinte der Keeper, der mit seinem trostspendenden einjährigen Sohn Dario auf dem Arm sogar noch gewaltiger wirkte. Abhaken wolle er die Niederlage, doch man konnte ihm anmerken, dass ihm dies nicht leicht fallen wird.

Als der 27-Jährige, der seine Jugend unweit der Essener Hafenstraße im Nachwuchs von Schalke 04 verbrachte, in der 44. Minute erstmals einen harmlosen Ball fangen konnte, brandete von den Rängen höhnischer Beifall auf. Und beim Gang in die Kabine beschimpften ihn die Anhänger, ob er denn aus der Kreisliga komme? „Normal, wir sind ja alle maßlos enttäuscht“, versuchte Wulnikowski Verständnis aufzubringen. Etwas anderes blieb ihm kaum übrig.

Manche kramten schon recht angestrengt in ihren grausamsten Erinnerungen. 1996, als RWE zum letzten Mal in die Zweite Liga aufgestiegen war, setzte es zum Auftakt eine 0:4-Heimniederlage gegen die Stuttgarter Kickers. Am Ende der Saison stieg der Verein ab und es begann eine siebenjährige Odyssee durch den Amateurfußball, die 1998 mit dem Absturz in die viertklassige Oberliga ihren negativen Höhepunkt fand. „Wir haben eine Euphorie entfacht und möchten sie nutzen, um uns im Profifußball zu etablieren“, sagte Geschäftsführer Nico Schäfer, der als positiven Aspekt der „Bauchlandung zum Comeback“ festhalten wollte, dass „die Schönredner jetzt ruhig sind“. Vermutlich wird es schwieriger, als es sich selbst die Skeptiker ausgemalt hatten. „Wir sind in einer anderen Welt angekommen“, fand Gelsdorf. Einige hätten gar nicht mehr gewusst, wie sich Niederlagen anfühlen.

Während Wulnikowski, der erst im Mai mit Union Berlin abgestiegen war, dieses Unbehagen genau kennt, durften sich eher die Defensivspieler angesprochen fühlen. RWE versuchte zwar offensiv zu beginnen und hatte durch Neuzugang Peter Foldgast, der erst drei Tage zuvor von Bröndby Kopenhagen verpflichtet wurde, durchaus ein Übergewicht. Zwischen der 22. und 43. Minute, waren Manndecker Hilko Ristau und seine Abwehrkollegen gegen die Auer Angreifer um den zweifachen Torschützen Skerdilaid Curri aber überfordert. „Robert sah bei den Gegentoren bestimmt nicht gut aus, zuvor gab es aber Fehler im gesamten Abwehrverhalten“, meinte Gelsdorf, der aber „viele positive Aspekte“ gesehen haben wollte. „Weiß nicht, wenn du so untergehst, ist das immer schlecht“, korrigierte Foldgast, der sich auch über seinen Ehrentreffer nicht freuen wollte.

„Die Saison ist ein Marathonlauf, wir haben bis jetzt nur den ersten von 34 Kilometern absolviert“, mochte der Sportliche Leiter Frank Kontny so gar nicht in die Riege der Schwarzmaler einstimmen. Seiner Meinung nach seien die fünf Gegentore „für Robert allesamt unhaltbar gewesen“ gewesen. Schon am nächsten Sonntag habe man in Trier die Gelegenheit, „alles gerade zu rücken.“ Wulnikowski hörte diese Worte gerne und hat sich wohl fest vorgenommen, bis dahin noch ein wenig weiter zu wachsen. ROLAND LEROI