Die ganze Welt im Ferienzelt

Zum elften Mal machen Kinder aus benachteiligten Vierteln im HÖVI-Land zusammen Urlaub in Köln. Unter dem Motto „Bunte Gesichter machen HÖVI-Geschichten“ lernen sie andere Kulturen kennen

VON BERND HOFFMANN

Im „HÖVI-Land“ ist eine Gruppe aus Frankreich zu Gast. Keiner beherrscht die Sprache des Anderen, doch im „HÖVI-Land“ versteht man sich schnell auch ohne Worte. Die Musik macht‘s möglich. Lieder wie „La Bamba“ oder „La Cucaracha“ kann schließlich jeder mitsingen. „HÖVI“-Gruppenleiterin und Gitarristin Lis Horz ruft ein neues Land aus: „Und jetzt Portugal!“

Aufgeregt stürmen die Kinder zu der großen Kiste, in der die landestypischen Liedtexte als Bogen gefaltet sind. Umgehend wird die nächste Volksweise angestimmt. Auch die in Vingst lebende Neunjährige Rosalie Kamara, deren Eltern aus Schwarzafrika stammen, schnappt sich ihre Rassel. Mit ihren gleichaltrigen Mitmusikern geht sie auf eine lautstarke „Weltreise mit Musik“.

Die musikalischen Globetrotter nehmen als Gruppe „Andorra“ an einem Workshop der Vingster Kinder-Ferienzeltstadt „HÖVI-Land“ teil, die dieses Jahr unter dem Motto „Bunte Gesichter machen HÖVI-Geschichten“ steht. Um dem Motto Bezug zu verleihen, sind die Sieben- bis 14-Jährigen in 28 Gruppen mit so beziehungsreichen Namen wie China, Kroatien oder Zimbabwe untergebracht.

Gleich am ersten Tag startete zwecks besseren Kennenlernens eine „Rallye der Nationen“, bei der die Kinder Fragen zu den einzelnen Nationen beantworten und Länderflaggen malen mussten. Damit sollten eventuelle Ressentiments gegen andere Kulturen oder unterschwellige Fremdenfeindlichkeit spielerisch im Keim erstickt werden. So sollten die richtigen Voraussetzungen, um in den drei Wochen miteinander zu leben und voneinander zu lernen, geschaffen werden.

Für den spielerischen Rahmen der HÖVI-Zeltstadt, die noch bis Freitag steht, sorgen zahlreiche Workshops und Ausflüge. Auf der großen Grünfläche und in Zelten können die Kinder orientalische Tänze einüben, Figuren aus aller Welt basteln oder sich in die Geheimnisse asiatischer Karatekunst einweihen lassen. Ausflüge in das Rautenstrauch-Jost-Museum oder das Museum für ostasiatische Kunst dienen dazu, die Lebensgewohnheiten der Indianer oder die japanische Kunst des Papierfaltens „Origami“ zu studieren.

Bereits zum elften Mal hat das „HÖVI-Land“ hinter dem Naturfreibad Vingst seine Pforten geöffnet, um rund 500 Kindern aus den sozial benachteiligten Stadtteilen Höhenberg und Vingst drei unbeschwerte Ferienwochen zu ermöglichen. „Das Motto ist vor allem ein Synonym für die vielen Kulturen, die in Höhenberg und Vingst leben“, erläutert Andreas Hildebrand, der „HÖVI“-Jugendstadtteilmanager. Zusammen mit Jugendleiterin Petra Kempe, Pfarrer Jörg Wolke und Pastoralreferent Peter Otten gehört er zum „Orga-Team“, das jedes Jahr mit Unterstützung von über 200 erwachsenen und jugendlichen Helfern die „HÖVI“- Ferien organisiert.

Viele der Kinder in Höhenberg und Vingst kommen nur selten aus ihren Vierteln heraus, deshalb kommt die Welt zu ihnen, so das Motto der Organisatoren. Bei dem Kennenlernen fremder Kulturen geht es aber nicht um politische Willensbildung, wie die Organisatoren betonen, sondern um den gemeinsamen Spaß und das Entwickeln einer Gruppenzusammengehörigkeit. „Das Leben mit so vielen anderen hat vielen von uns gefehlt“, weiß Katharina Menne zu berichten.

Die Vingsterin und zweifache Mutter hat als ehrenamtliche Mitorganisatorin in ihrer Freizeit seit Januar über 100 Ausflüge und Workshops initiiert, ausprobiert und für gut befunden. Ihre Tochter und ihr Ehemann engagieren sich ebenfalls seit längerem für das „HÖVI-Land“.

Der achtjährigen Lisa Becker aus Vingst macht alles Spaß im „HÖVI-Land“. Eines versetzte Lisa und die anderen Kinder aber wirklich in Erstaunen: „dass eine Kuh so teuer ist“, meinte die kleine Teilnehmerin. 1.000 Euro sammelten die Kinder und Erwachsenen vom HÖVI-Land in diesem Jahr, um mit dem Betrag einer befreundeten Bauernfamilie in Mazedonien eine Milchkuh zu schenken. Die Welt ist also nicht nur zu Gast im HÖVI-Land. Gelegentlich zieht HÖVI auch in die Welt hinaus.