folgen fataler fußballwetten von RALF SOTSCHECK
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Endlich wieder Fußball. Mein Verein Hertha BSC startete mit einem grandiosen Unentschieden in die neue Bundesligasaison. Leider ist die Freude darüber getrübt, denn ich habe nichts mehr davon: Mein Wettpartner des vergangenen Jahres, der Schauspieler Gerd Silberbauer, musste aufgeben, weil sein Verein TSV 1860 München abgestiegen ist und nun gegen Erzgebirge Aue und Wacker Burghausen antreten muss.

In der vorigen Saison hatten wir ein schönes Arrangement. Gewann Hertha und 1860 verlor, bekam ich zwei Pints Guinness – jene magischen 0,56 Liter, in denen das Kneipenglück gemessen wird. Bei einem Hertha-Unentschieden und gleichzeitiger Niederlage von 1860 gab es ein Pint. Umgekehrt galt das natürlich auch. Wir stellten eine Zusatzregel auf, wonach die Pints nicht verrechnet werden durften, sondern getrunken werden mussten. Das erwies sich als vernünftig, denn meistens verloren beide Mannschaften einträchtig.

Als Gerd voriges Jahr in Irland war, um die ersten Wettschulden abzutragen, erkundigte er sich interessiert nach dem Internet. Er hatte zwar davon gehört, war aber noch nie drin. Um ihm ein Beispiel für die Vorzüge der weltweiten Spielwiese zu geben, tippte ich bei Google seinen Namen ein. Sofort erschien ein Hinweis auf die Gerd-Silberbauer-Homepage. Sie war sehr übersichtlich, enthielt Gerds Biografie und Szenenfotos, eine Filmografie und ein Gästebuch. Gerd wurde blass. Tamara, ein Fan von ihm, hatte die Seite eingerichtet.

Ich öffnete das Gästebuch. „Er ist ein wundervoller Schauspieler und bestimmt auch ein wundervoller Mensch“, mutmaßte eine Karin. „Leider weiß man so wenig über sein Privatleben.“ Gerd wurde blasser, denn ich kenne sein Privatleben. Ein anderer weiblicher Fan beschrieb, wie sie mit ihrer Mutter einen Hotelflur entlanglief, als ihr Herr Silberbauer entgegenkam. Ihr fielen vor Schreck die Einkaufstaschen aus der Hand, doch Gerd hob sie behände wieder auf. „Mein Gott, sind sie gelenkig“, brachte die Mutter mühsam heraus, während die Tochter vor Ehrfurcht gelähmt stumm blieb.

So ging es in dem Gästebuch Seite um Seite weiter. Zwischen den anhimmelnden Einträgen, die alle von Frauen stammten, meldete sich ein Mann zu Wort: „Gerd Silberbauer ist mir vollkommen schnuppe“, schrieb er, „aber die Website ist prima. Gratuliere, Tamara!“

Das alles bleibt unter uns, hoffte Gerd vergeblich. Nachdem ein verblüffend großer Teil unserer Wettschulden in einem kleinen Pub an der irischen Westküste abgetragen war, machte Gerd einen Vorschlag. „Du darfst über diese Website schreiben“, sagte er, „wenn Hertha am Ende der Saison vor 1860 liegt. Im umgekehrten Fall bekomme ich deine Kolumne für einen Montag und schreibe über dich.“

Die Sache ging für mich glimpflich aus, Gerds Kolumne bleibt ungeschrieben. Als ich am Wochenende nochmal auf Tamaras Website schauen wollte, fand ich sie nicht mehr. Hat Tamara einen anderen? Aber es gibt Ersatz. Eine Regina, 47 Jahre, Sternzeichen Jungfrau, schreibt über ihre Lieblingsschauspieler: „Gregory Peck, Gérard Depardieu und ganz besonders Gerd Silberbauer.“ Ihr größter Wunsch: eine Reise nach Irland. Das müsste sich doch machen lassen.