Suppentopf im Arbeiterstadion

Japan verteidigt seinen Titel beim Asien-Cup mit einem 3:1 gegen die chinesischen Gastgeber. Deren Trainer Arie Haan ärgert sich über den Schiedsrichter, hofft aber, dass der Erfolg des zweiten Platzes Chinas Fußball eine bessere Zukunft eröffnet

AUS PEKING MARTIN HÄGELE

Am Sonntag konnte Arie Haan nicht mehr auf die Straße. Es war schon schwer, überhaupt durch die Lobby des Luxushotels in Peking zu kommen. „Entweder du musst ein Autogramm schreiben oder sie nehmen dich für ein Foto in den Arm.“ Die allgemeine Begeisterung über den zweiten Platz der chinesischen Nationalelf beim Asien-Cup hat am Tag danach auch auf deren holländischen Trainer abgefärbt. Obwohl er weiter auf seiner Meinung beharrte, wonach der Schiedsrichter aus Kuwait die Japaner bei ihrem 3:1-Sieg im Endspiel klar bevorteilt hätte.

Vor lauter Wut auf den Referee hatte der zweimalige Vizeweltmeister die Siegerehrung boykottiert. Haan wollte seine Silbermedaille nicht und handelte sich für seinen Trotz auch noch einen Rüffel von Peter Velappan, dem Generalsekretär des Asiatischen Fußball Verbandes (AFC), ein. „Haan sollte mehr Sportsmann sein und einfach akzeptieren, dass seine Mannschaft gegen eine bessere japanische Elf verloren hat.“

Wenn man mit einem gewissen Abstand auf das Finale dieses Wettbewerbs zurückschaut, dann haben sowohl Haan als auch Velappan recht – und niemand muss sich entschuldigen. Denn das Finale des ersten Asien-Cups, der dieses Turnier bei dessen dreizehnter Auflage vom amateurhaften Niveau nun in die Kategorie einer Großveranstaltung befördert hat, vergleichbar etwa der Europameisterschaft in Portugal, verträgt bei einer kritischen Analyse durchaus unterschiedliche Meinungen. Es war nicht nur das entscheidende Tor zum 2:1, das der Japaner Koji Nakata im Stil eines Volleyballers über die Torlinie baggerte. Es waren die vielen kleinen Fouls, die Experten mit dem Zusatz „professionell“ versehen, die ungeahndet durchgingen. Dabei hätte sich Arie Haan vom Schiedsrichter etwas mehr Schutz gewünscht. Denn auf diesem Gebiet waren seine Leute den erfahrenen Profis der J-League weit unterlegen.

Andererseits hat es für den Verband keinen besseren Gewinner dieses Traumfinales geben können, das mehr als eine halbe Milliarde Menschen (davon über 250 Millionen allein in China) vor dem Fernseher erlebten – ein neuer kontinentaler Rekord für ein Sportereignis. Als die Blauhemden des „weißen Pelé“, wie der brasilianische Trainer Zico quer durch alle asiatischen Medien bezeichnet wird, mit dem silbernen Suppentopf ihre Ehrenrunde im Arbeiterstadion liefen, konnten die japanischen Sieger einen Teil des Beifalls auch als Kompensation empfinden für die vielen Pfiffe und Buhs der vergangenen drei Wochen. Besonders bei den Gruppenspielen hatte das Publikum die Besucher aus Tokio und Osaka spüren lassen, dass sie auch noch 60 Jahre nachdem deren Großväter und Urgroßväter Bomben auf chinesische Städte geworfen hatten, nicht erwünscht waren. Trotz mehrfacher Appelle der chinesischen Organisatoren pfiffen die Zuschauer während Japans Nationalhymne so laut, dass gerade mal ein paar Klangfetzen der so genannten Kimigayo die 3.000 Kilometer bis zu den High-Tech-Boxen vieler moderner Flachbildschirme auf dem Inselreich jenseits des Chinesischen Meers schafften.

Diese sportdiplomatischen Verwicklungen können nun in aller Ruhe aufgearbeitet werden – ohne große Schlagzeilen. Die Erkenntnisse aus der Tatsache, dass Asienmeister Japan seinen Titel mit einer halben Reservemannschaft verteidigt hatte (mit Nakata, Inamoto, Takahara, Ono, Koubo, Okoubo, Tsuboi fehlten sieben Stammkräfte wegen Verletzung bzw. Abstellung zum Olympia-Team), helfen allerdings auch den Verlierern. Sie bestätigen der J-League, dem mit Abstand professionellsten Klassenbetrieb dieses Kontinents, ihre Sonderstellung. Sie dienen weiter als Beweis dafür, dass man die fußballerischen Qualitäten eines Nationalteams nur durch eine intensive Meisterschaftsrunde und ständige internationale Vergleiche verbessern kann.

Arie Haan wurden nach dem Erfolg weitere finanzielle Mittel zugesagt, die bis dato vor allem für das Olympia-Team und die prestigeträchtigen Kicker-Frauen, seit langem der Weltspitze zugehörig, vorgesehen waren. Nachdem nun Zicos Team Nippon den asiatischen Erdteil beim Konföderationencup nächsten Sommer in Deutschland vertritt, muss sich der chinesische Verband um internationale Vergleiche bemühen und auch seine nationale Liga weiter für Ausländer öffnen. Derzeit arbeiten dort ausschließlich einheimische Fußball-Lehrer. Ein Manko, das dem Siemens-Konzern die Chance bietet, sich über die Sponsoren-Rolle für alle Nationalteams, Liga- und Pokalwettbewerbe hinaus für noch mehr Tempo bei der Entwicklung des chinesischen Fußballs zu engagieren. Die Firma aus München kooperiert ja längst mit den feinsten Klub-Adressen, ob Real Madrid, Bayern München oder FC Chelsea; es müssten sich also schon Leute finden lassen, die Arie Haans kleinem Expertenstab weiterhelfen könnten.