Spam ist geil!

Noch ein Mythos zerstört: Unverlangte E-Mail-Werbung wird durchaus nicht immer nur als Störung empfunden

Das Internet muss von Leuten erfunden worden sein, die es immer nur gut meinten, kein Geld verdienen und auf jeden Fall die Welt verbessern wollten. Anders ist nicht zu erklären, warum seit Jahren ein unvermindert heftiger Kampf gegen E-Mails geführt wird, die unaufgefordert beim Empfänger eintreffen. Sie heißen gemeinhin Spam. Es gibt Dutzende von Anti-Spam-Initiativen online, offline haben die USA ein Anti-Spam-Gesetz erlassen, die EU eine Richtlinie, die zwar anders heißt, aber dasselbe Problem lösen soll.

Es lässt sich aber nicht lösen, die Spamrate steigt immer noch an, wenn auch nur mäßig, und seit Ende letzten Monats wissen wir endlich, warum: Eine Umfrage des Webportals Yahoo hat ergeben, dass 20 Prozent der US-Amerikaner, die dort ihre Mailadresse haben, das tägliche Spam in ihrem Briefkasten überhaupt nicht schlimm finden. Sie freuen sich sogar darüber, wenn es nicht gerade die einhunderttausendste Offerte für Viagra ist. Alles andere wird als informativ empfunden und führt erstaunlich oft zu Onlineeinkäufen.

Dieselbe Erkenntnis lässt sich auch aus der unaufgefordert dieser Redaktion zugesandten Mitteilung der Freiburger Softwarefirma Inxmail entnehmen, wonach nunmehr die Version 3.1 ihrer bereits bewährten Software für das Mailmarketing verfügbar sei. Auf ihrer Homepage verspricht sie eine Rücklaufquote von 15 Prozent. Es gibt keinen Grund, diese Zahl grundsätzlich zu bezweifeln. Damit liegen die deutschen Spamfreunde nur leicht hinter den amerikanischen 20 Prozent zurück.

Zu den Inxmail-Kunden gehören unter anderem die Telekom, die Bild-Zeitung und die Drogeriekette Schlecker. Sie alle haben das Internet ohne Zweifel nicht erfunden. Sie wollen einfach nur Geld verdienen und keinesfalls die Welt verbessern. Deswegen spammen sie, was das Zeug hält. Keine Initiative zur Reinigung des Internets von solchen Interessen, kein Gesetz und keine EU-Verordnung wird sie je davon abhalten. Sie lesen einfach das klein Gedruckte. Dann gibt es keinen Spam mehr, sondern nur noch „Permission-Marketing“. Inxmail schreibt: „Der Kunde definiert seine Wünsche und gibt gern sein Einverständnis für den Erhalt von E-Mails, falls er das Angebot für interessant hält.“

Offenbar ist das Internet tatsächlich von Leuten erfunden worden, die es immer nur gut meinten mit uns. So können wir jetzt endlich unsere Wünsche online und weltweit definieren. Und zu mindestens 20 Prozent sind wir dann mit allem anderen einverstanden.

NIKLAUS HABLÜTZEL