Landesregierung verleiht Flügel

Kiel will die Landebahn seines Regionalflughafens verlängern, damit auch Jets künftig dort starten und landen können. Landesrechnungshof sieht „keinen Bedarf“. Die geplante Förderung des Vorhabens mit EU-Mitteln ist zweifelhaft

„Der Verkehrsbedarf ist durch bestehende Infrastruktur abdeckbar“Linienluftverkehr soll langfristig durch schnelle Züge ersetzt werden

von Gernod Knödler

Ein „belastbarer Nachweis des verkehrlichen Bedarfs für den Ausbau des Verkehrslandeplatzes Kiel“ liege bisher nicht vor. Mit diesem ungeliebten Prüfergebnis hat der Landesrechnungshof in Schleswig-Holstein unlängst die Landesregierung in Kiel konfrontiert. Die möchte den Kieler Regionalflughafen ausbauen, damit die Region nicht den Anschluss an die benachbarten Wirtschaftszentren verliere.

Nicht nur die Anwohner treibt das auf die Palme. Auch ein von der Nachbargemeinde Altenholtz bei der Kieler Universität in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten kommt zu dem Schluss, dass das von der Landesregierung eingeplante Fördergeld aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ nicht fließen könne.

Vorbereitet wird derzeit ein Ausbau der Piste in Kiel-Holtenau auf 1.800 Meter plus 300 Meter Sicherheitsstrecke. Bis morgen können sich bei der Flughafengesellschaft Projektmanager bewerben, die das Planfeststellungsverfahren betreuen wollen. Die Landesregierung schätzt die Ausbaukosten auf gut 57 Millionen Euro.

Das Problem des heutigen Flughafens ist aus Sicht der Landesregierung dessen zu kurze Piste. Auf deren 1.260 Metern können lediglich Turboprop-Flugzeuge landen und keine Regionaljets. Weil aber immer mehr Fluggesellschaften auf Jets umstiegen, drohe der Flughafen jetzt vom Verkehr abgekoppelt zu werden, so die Argumentation.

Zwar wies die „Bürgervereinigung gegen die Startbahnverlängerung Kiel-Holtenau“ nach, dass es Fluggesellschaften gibt, die weiter auf Turboprops setzen. Wirtschaftsminister Bernd Rohwer (SPD) möchte sich darauf aber nicht verlassen. „35 Prozent der befragten Unternehmen befürchten Markteinbußen oder eine Behinderung ihrer Unternehmensdynamik bei Wegfall der Linienflugverbindungen“, schrieb er in einem Bericht ans Kabinett. Drei Viertel aller Linienflugpassagiere in Kiel seien heute Geschäftsreisende. Zwei von fünf bräuchten weniger als eine Viertelstunde für den Weg zum Airport – der Hamburger Flughafen biete da keine Alternative.

Der schleswig-holsteinische Rechnungshof räumt ein, dass es ohne einen Ausbau schwierig werde, neue Fluglinien für Kiel-Holtenau zu akquirieren. Jedoch erscheine „der in der Region vorhandene Verkehrsbedarf ganz offensichtlich durch die übrige bereits bestehende Verkehrsinfrastruktur in ausreichender Weise abdeckbar“ – zumal das Land den Bau neuer Straßen und Schienenwege plane.

Die Wirtschaftlichkeitsberechnung berge viele Risiken, bemängelt der Rechnungshof. Im Gegensatz zu den Aussagen der Regierung, die davon ausgeht, dass sich der Flughafen durch den Ausbau ab 2010 selbst tragen könnte, rechnet er mit einem Subventionsbedarf bis mindestens 2021. Derzeit schießt das Land dem Flughafen jedes Jahr 256.000 Euro zu, die Stadt Kiel nochmal einen Betrag in ähnlicher Höhe. Von 1993 bis 2002 hat das Land zudem rund 6,6 Millionen Euro in den Airport investiert.

42 Prozent der Investionskosten mit EU-Fördergeld decken zu wollen, bewertet der Rechnungshof als riskant: Voraussichtlich laufe diese Fördermöglichkeit schon 2004 aus. Überdies stünde das Geld nicht mehr zur Kofinanzierung von anderen Projekten der EU zur Verfügung.

Der Jurist Utz Schliesky von der Universität Kiel geht in seinem Gutachten zu dieser Art der Förderung noch weiter. Der Ausbau-Plan verstoße gegen das Landesentwicklungs-Grundsätze-Gesetz, nach dem der Linienluftverkehr langfristig durch Schienenhochleistungssysteme ersetzt werden soll. Eine Förderung der Infrastruktur sei nur möglich, wenn diese direkt der Wirtschaft zugute komme. Schließlich dürften mit dem Geld keine Projekte des Landes finanziert werden. Das Land jedoch ist zu 55 Prozent an der Flughafengesellschaft beteiligt.

Bernd Küpperbusch, Luftfahrtreferent im Verkehrsministerium, wirft Schliesky vor, er habe oberflächlich gearbeitet und die „ergänzende Rechtsprechung“ nicht berücksichtigt. Den Rechnungshof-Bericht interpretiert er so: „Im Grundsatz ist es richtig, was die Landesregierung gemacht hat“.

Genaue Prognosezahlen habe die Regierung beim jetzigen Verfahrensstand gar nicht vorlegen können, sagt Küpperbusch. Alle Gutachten würden im Planfeststellungsverfahren überprüft und aktualisiert. Eine Entscheidung falle auch nach Aussage der Landesregierung erst „mit Vorlage des Planfeststellungsbeschlusses“.